Ein bisschen raus

Deutsche Unternehmen tun sich schwer mit ihren Tochterfirmen in Russland

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Ehemalige Obi-Filiale in der Stadt Kasan
Ehemalige Obi-Filiale in der Stadt Kasan

Einige Unternehmen aus Deutschland verlassen wegen des Ukraine-Krieges und der Sanktionen Russland, andere nicht. Mit Moral muss weder das eine noch das andere zu tun haben. So hat der Autozulieferer Continental kürzlich seine Produktion in Kaluga südwestlich von Moskau wieder hochgefahren. Die derzeitige Situation sei für international agierende Unternehmen, die in Russland Produktionsstätten betreiben, äußerst kompliziert, heißt es in einer Stellungnahme. So drohten den Mitarbeitern und Führungskräften von Conti in Russland »harte strafrechtliche Konsequenzen«, sollte der Konzern die lokale Nachfrage nicht bedienen.

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Die Regierungspartei Einiges Russland hatte ein Gesetz, das in solchen Fällen auch eine Enteignung von Firmen erlaubt, im März angekündigt. Seitdem liegt dieses allerdings offenbar auf Eis und wurde nach russischen Quellen noch nicht einmal der Regierung vorgelegt. Es dient wohl eher als politische Drohkulisse. Andererseits berichten Medien, dass lokale Behörden Druck auf Geschäftsführungen ausübten.

Im April gab der Tengelmann-Konzern vermutlich aus solchen Gründen das komplette Russland-Geschäft von Obi auf. Die Tochter mit ihren 27 Baumärkten und 4900 Mitarbeitern wurde angeblich an einen Investor abgegeben und zwar, ohne dass Tengelmann hierfür Geld erhält. Der Name des Investors wurde nicht genannt. »Die aktuelle Lage richtet sich gegen Freiheit und Demokratie und widerspricht damit den Grundwerten bei Obi«, begründet das Unternehmen seinen Abschied. Die zuständigen Behörden müssten noch zustimmen, hieß es aber auch.

Angesichts von europaweit mehr als 640 Obi-Märkten dürfte ein Russland-Aus die Bilanz wenig belasten. Das gilt ebenfalls für die deutsche Automobilindustrie. Anders als für den französischen Konkurrenten Renault, zu dem auch Lada gehört, fällt die russische Produktion kaum ins Gewicht. Auch der Konsumgüterkonzern Henkel (»Persil«) verabschiedete sich nach anfänglichem Zögern.

Als Plus dürften Firmenstrategen verbuchen, dass ein Rückzug viele Likes in den sozialen Medien bescheren und zudem Risiken, die im Russlandgeschäft zukünftig lauern, verringern dürften. So ist es angesichts der Sanktionen beispielsweise aufwendig, Zahlungen zu überweisen. Und auf stabile rechtliche Rahmenbedingungen dürften viele Vorstände nicht länger vertrauen. Schon vor dem Einmarsch in die Ukraine lag die russische Wirtschaft im Länderrisikoranking des deutschen Kreditversicherers Euler Hermes im grauen Mittelfeld.

Allerdings ist von den meisten der rund 3700 deutschen Unternehmen, die in Russland tätig sind, nicht bekannt, wie sie auf die aktuelle Lage zu reagieren gedenken. Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer in Moskau hat zwar eine Krisenhotline eingerichtet, ihre Website wird aber »gegenwärtig überarbeitet«.

Der deutsche Softwareriese SAP plant indes, Russland aufzugeben: »Wir prüfen derzeit verschiedene Optionen, wie sich diese Entscheidung umsetzen lässt.« SAP verweist auf rechtliche Verpflichtungen gegenüber Kunden. Denen wird nahegelegt, ihre Daten in ein Rechenzentrum außerhalb Russlands zu überführen.

Der Baumaschinenhersteller Liebherr argumentiert ähnlich: »Wir haben unseren russischen Kunden ein Leistungsversprechen gegeben und sind auch unseren Mitarbeitenden im Land verpflichtet«, äußerte das Unternehmen gegenüber der ARD. Liebherr ist seit 1965 in Russland aktiv und beschäftigt dort 2300 Menschen.

Verpflichtet fühlt sich auch Fresenius-Vorstand Stephan Sturm. »Wir können unsere Patientinnen und Patienten nicht einfach im Stich lassen«, teilte er mit. Fresenius betreibt hundert Dialysezentren in Russland, versorgt Krankenhäuser mit Arzneimitteln und klinischer Ernährung.

Dagegen hatte Continental die Arbeit in Kaluga im März genauso eingestellt wie das gesamte Im- und Exportgeschäft mit der Russischen Föderation. Nun werde an dem Standort »im Bedarfsfall temporär« wieder produziert, heißt es. Conti verfolge mit der Fertigung in Kaluga »keinerlei Gewinnerzielungsabsicht«.

Dort produziert der Dax-Konzern aus Hannover allerdings nicht allein Reifen, wie es in Medienberichten irreführend heißt. Im Juni 2014 hatte man ein modernes »Automotive-Werk« eröffnet. In der Fertigungsanlage können unter anderem jährlich eine Million Motorsteuergeräte hergestellt werden. Das sei ein weiterer strategischer Schritt, um sich im stark wachsenden russischen Fahrzeugmarkt als ein international führender Elektronikzulieferer zu positionieren, hieß es damals in einer Mitteilung. Insgesamt beschäftigt Conti heute rund 1300 Menschen in Russland, in der Ukraine gibt es keine eigenen Standorte.

Auch andere Autozulieferer wie die finnische Nokian Tyres sollen ihre Arbeit in Russland fortsetzen. Auch die Produktion westlicher Konzerne von Lebensmitteln und Medikamenten, die nicht auf den Sanktionslisten der EU und USA auftauchen, läuft weiter.

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