• Politik
  • Linkes Wahlbündnis in Frankreich

Etappensieg für Mélenchon

Frankreichs Linkspolitiker holt die Grünen für die Wahlen zur Nationalversammlung mit ins Boot

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Die von Jean-Luc Mélenchon gegründete und geleitete Bewegung La France insoumise (Das unbeugsame Frankreich) ist dem Ziel, für die Parlamentswahlen Mitte Juni die anderen linken Parteien und Bewegungen hinter sich zu sammeln, einen großen Schritt näher gekommen. Sie konnte sich zumindest bereits mit der Partei der Grünen auf ein Wahlbündnis einigen.

Mit den Sozialisten (PS) und den Kommunisten strebt Mélenchon ebenfalls ein Bündnis an. Die diesbezüglichen Verhandlungen, die unmittelbar nach der Wiederwahl von Macron zum Präsidenten aufgenommenen worden waren, wurden Ende vergangener Woche durch die Sozialisten »ausgesetzt« und durch die Kommunisten abgebrochen. Doch das lag weniger an den Meinungsverschiedenheiten mit La France insoumise (LFI) als an Differenzen innerhalb dieser Parteien über die Zweckmäßigkeit eines Zusammengehens mit LFI. Kritiker in den Reihen der Sozialisten und Kommunisten werten das als faktische Unterordnung unter die Ambitionen von Mélenchon, nach einer erfolgreichen Parlamentswahl als Vorsitzender der größten Fraktion durch Präsident Macron notgedrungen zum Regierungschef berufen zu werden oder, falls es dafür nicht reicht, zumindest Oppositionsführer zu werden.

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Der PS-Parteivorsitzende Olivier Faure hat jedoch signalisiert, dass die Bemühungen um eine Einigung weitergehen. Um das zu unterstreichen, ist er auf der Mai-Demonstration am Sonntag in Paris demonstrativ auf Jean-Luc Mélenchon zugegangen und hat sich in Gegenwart zahlreicher Fernsehkameras freundschaftlich mit ihm unterhalten.

Unterdessen liefen die Verhandlungen mit den Vertretern der Partei der Grünen weiter und mündeten in der Nacht zum Montag in ein Wahlbündnis, das die beiden Partner »Neue ökologische und soziale Volksunion« nennen. Daraufhin sind die Sozialisten am Montagvormittag an den Verhandlungstisch am LFI-Sitz in Paris zurückgekehrt und am Nachmittag fanden sich dort auch die Kommunisten ein. Ob beide Parteien dem Wahlbündnis beitreten, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Es war aber unübersehbar, dass alle Partner um eine Einigung bemüht und bereit sind, dabei Kompromisse einzugehen und notfalls über den eigenen Schatten zu springen. Geschichts- und symbolbewusst streben sie dabei eine Einigung bis zum 3. Mai an, dem Jahrestag des Sieges der linken Volksfront 1936.

La France insoumise hatte von Anfang an zur Bedingung gemacht, dass es bei einem linken Wahlbündnis nicht nur um die Verteilung der Wahlkreise gehen könne, sondern dass man sich auch auf gemeinsame Positionen zu wesentlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen einigen und diese festschreiben müsse. Ohne ein solches gemeinsames Programm wäre Mélenchon als angehender Oppositionsführer unglaubwürdig.

Während die Positionen der Verhandlungspartner in etwa drei Vierteln aller Punkte weitgehend übereinstimmten und es bei der gemeinsamen Formulierung keine Probleme gab, erwies sich erwartungsgemäß das Thema Europa als großer Stolperstein. Zwar war Jean-Luc Mélenchon von früheren Äußerungen, Frankreich müsse aus der Europäischen Union und der Nato austreten, inzwischen schon wieder abgerückt, aber nur um es de facto durch das Konzept eines Europa »à la carte« zu ersetzen. So will er immer dann zu »staatsbürgerlichem Ungehorsam« aufrufen, wenn Beschlüsse oder Direktiven der EU seiner Überzeugung nach den Interessen Frankreichs und der Franzosen zuwiderlaufen. Das ist für eine Mehrheit in der Sozialistischen Partei inakzeptabel.

Einen Ausweg könnte der Kompromiss weisen, den LFI mit den Grünen gefunden hat. Danach soll zu diesem Hebel des »Ungehorsams« nur in Ausnahmefällen gegriffen und im Prinzip die Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden. Die schwerwiegendste Differenz, die die Kommunisten mit LFI, PS und vor allem den Grünen haben, ist ihr Bekenntnis zur Atomkraft als unverzichtbares Instrument, um den Klimawandel aufzuhalten, bis genügend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Dieser Streitpunkt, so hat man sich bereits vor Tagen geeinigt, soll bei der Formulierung des gemeinsamen Programms ausgeklammert werden.

Ein Streitpunkt bleibt das Aushandeln der Wahlkreise, die den einzelnen Parteien zugestanden werden und wo sie durch die anderen Partner des Bündnisses unterstützt werden. LFI will den Grünen und den Sozialisten je 100 Wahlkreise überlassen und den Kommunisten 50. Für die Grünen eröffnet das die Aussicht, endlich mit einer eigenen Fraktion in der künftigen Nationalversammlung vertreten zu sein und für die Sozialisten, dort den Großteil ihrer heute 29 Sitze zu halten. Die Kommunisten sind mit den vorgeschlagenen 50 Wahlkreisen nicht einverstanden, denn davon sind nur elf »gewinnbar«. Um weiterhin mit einer eigenen Fraktion im Parlament vertreten zu sein, muss man wenigstens 15 Abgeordnete haben.

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