Tod nach Polizeikontrolle

Mannheimer demonstrieren gegen unverhältnismäßige Gewalt von Beamten

  • Iván Furlan Cano
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind verstörende Szenen, die ein Video am Mittag des 2. Mai zeigt, das auf Social Media die Runde macht. Ein Mann liegt in Bauchlage auf dem Boden, ein Polizeibeamter kniet auf seinem Rücken, ein zweiter, mit dem Rücken zur Kamera gewandt, schlägt dem 47-jährigen Mann mindestens zweimal ins Gesicht, bevor er seinen zweiten Arm auf den Rücken zur Fixierung legt. Ein zweites Video zeigt den Mann auf dem Rücken liegend, mit blutigem Gesicht, geschlossenen Augen. Er wirkt regungslos. Kurz danach wird er von einem Arzt reanimiert, die Polizist*innen stehen daneben.

In einer Pressemitteilung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg und der Staatsanwaltschaft Mannheim, die mittlerweile die Ermittlungen übernommen haben, heißt es, der bewusstlose 47-Jährige sei von Rettungskräften versorgt worden und anschließend im Universitätsklinikum Mannheim verstorben. Zu diesem Zeitpunkt sei unklar, warum der Verstorbene reanimiert werden musste. Das Opfer war Patient im »Zentralinstitut seelische Gesundheit Mannheim«. Die Beamt*innen wurden von einem Arzt des Instituts gerufen. Nachdem der Patient angetroffen wurde, soll er sich einer Personenkontrolle widersetzt haben. Nach der Aussage von LKA und Staatsanwaltschaft, dem Video und den Berichten von Augenzeug*innen bleiben viele Fragen offen. Für das LKA steht fest, dass der Beamte aufgrund des Widerstandes »unmittelbaren Zwang« angewendet habe. Im »Mannheimer Morgen« wird ein Sprecher des LKA mit der Aussage zitiert, dass der Polizist eigentlich nicht hätte zuschlagen dürfen. Ob die betroffenen Beamten mittlerweile suspendiert sind oder nicht, dazu wollte sich der Pressesprecher des LKA Baden-Württemberg zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlung nicht äußern.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Wenige Stunden nach der Tat sammeln sich knapp 100 Personen auf dem Mannheimer Marktplatz. An der Straßenecke, wo sich die Szenen abgespielt haben, wird an den 47-Jährigen erinnert. Menschen stehen herum, rote Grabkerzen leuchten in der Dämmerung.

Die Kundgebung wird aus dem Kreis migrantischer Organisationen organisiert. Sie nehmen Bezug auf rechtsextreme Attentate wie Hanau, das Versagen der Ermittlungsbehörden beim NSU und Todesfälle in Polizeigewahrsam wie in Wuppertal im Jahr 2021. In den Redebeiträgen wird unter anderem von der Linke-Bundestagsabgeordneten aus Mannheim, Gökay Akbulut, immer wieder eine lückenlose Aufklärung gefordert.

»Dieses Land darf gewalttätige Polizisten nicht arbeiten lassen, weil sonst so etwas wie heute hier in Mannheim passiert«, sagt Azad von der Föderation der Revolutionären Jugend der Türkei, Avrupa DEV-GENÇ. Ihr Ziel sei es, eine Kampagne zu starten und regelmäßig gegen Polizeigewalt und für eine lückenlose Aufklärung zu demonstrieren.

Es ist nicht der erste Vorfall, der Fragen aufwirft und zu Vorwürfen führt, die Polizei Mannheim übe unverhältnismäßige Gewalt aus. 2018 wurde ein junger Mann von der Polizei brutal mit einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden gebracht. Grund für die Personenkontrolle war das Filmen einer anderen Verhaftung, bei der der Betroffene über Schmerzen klagte. Einen Monat später erschien ein »Spiegel TV«-Film über die Neckarstadt. Darin war zu sehen, wie ein Mann kontrolliert wird, weil er in zweiter Reihe parkte. Nach einem Wortgefecht wurde er von einem Beamten am Hals gepackt und am Boden von drei Beamt*innen in Handschellen gelegt.

Nach der Kundgebung am Montag bleiben vor allem Wut und Fassungslosigkeit. Die Teilnehmer schwanken zwischen Hoffnung auf Aufklärung und dem Wissen, dass es bei ähnlichen Fällen am Schluss für die Beamt*innen ohne Konsequenzen bleibt. Die deutlichsten Worte findet ein spontaner Redner in Richtung Polizei: »Wir haben nicht mehr von ihnen zu erwarten, als dass sie uns verhaften, dass sie uns verprügeln und dass sie uns umbringen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -