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Covid, Krieg und Cannabis
Kongress: Verschiedene Atemwegserkrankungen bereiten den Lungenärzten Sorgen
Wer denkt, die mögliche Sommerpause der Corona-Pandemie könnte für die Lungenärzte Entspannung bedeuten, täuscht sich. Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der ab Mittwoch in Leipzig stattfindet, befasst sich sowohl mit den Therapien für Covid-19 als auch mit Folgen des Krieges in der Ukraine für das Fach hierzulande sowie mit der absehbaren Cannabis-Legalisierung. Einzelne Aspekte, die für die Lungenheilkunde besonders wichtig sind, wurden vorab vorgestellt.
Aktuell befanden sich am Dienstag laut Divi-Register noch 741 Patienten »wegen oder mit Covid-19« in intensivmedizinischer Behandlung. Laut DGP-Kongresspräsident Stefan Kluge ist das die niedrigste Zahl seit einem halben Jahr. Noch etwa vier Prozent der Intensivbetten sind mit diesen Patienten belegt. Auch bei den Klinikbeschäftigten sei bei der Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen mit folgender Quarantäne der Zenit überschritten. Kluge, der als Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig ist, betont noch einmal, dass es vor allem der Impffortschritt sei, der zum Abflauen der Pandemie geführt habe – neben dem Glück der milden Verläufe bei der Omikron-Variante. Der Internist macht sich jedoch Sorgen um die immer noch nicht geimpften zwei Millionen Menschen über 60 Jahre in Deutschland. »Der höchste Risikofaktor für Covid-19 ist eindeutig das Alter«, erklärt der Mediziner. Darüber solle auch die geringe Fallsterblichkeit von aktuell 0,07 Prozent nicht hinwegtäuschen.
Die konkrete, aktuell niedrige Belegung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten wurde im letzten Jahr erst am 24. Juni erreicht. Insofern sind die aktuellen Zahlen auch für Christian Gogoll eine sehr gute Nachricht. Der Internist ist an einer Berliner Lungenklinik tätig und Co-Autor einer medizinischen Leitlinie zum Thema Post- und Long-Covid. Für krankheitswertige Folgen einer Covid-19-Infektion hofft er bald auf genauere Daten. Denn noch gibt es hier widersprüchliche Einschätzungen. Patientenbefragungen seit dem vergangenen Jahr deuten darauf hin, dass bis zu 60 Prozent der Erkrankten länger an bestimmten Symptomen leiden. Die Kassenärztliche Vereinigung geht von niedrigeren Zahlen aus und nennt fünf Prozent, meint damit aber nur jene, deren bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen so stark sind, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Patienten kommen vor allem mit anhaltendem Husten, viele aber auch mit Denk- und Konzentrationsstörungen. Behandelt werden sie anfangs vor allem von ihren Hausärzten, die sie dann bei Bedarf auch an Lungenärzte überweisen. Bei diesen Fachärzten ist, je nach Schwere der Symptome, aber mit bis zu mehreren Monaten Wartezeit zu rechnen. Sollte der Allgemeinmediziner die Patienten noch nicht kennen, ist ein relativ hoher diagnostischer Aufwand nötig: Die Diagnose Post-Covid wird erst gestellt, wenn vieles andere sicher ausgeschlossen werden konnte. Gogoll sieht in diesem Feld »herausfordernde Fallzahlen« im ambulanten Bereich.
Neben Covid-19 drängt im Moment noch eine andere infektiöse Lungenerkrankung in den Fokus der Fachärzte: die Tuberkulose (Tb). Deren bakterielle Erreger werden zwar ebenfalls durch Aerosole übertragen, sie sind aber nicht so infektiös wie die Omikron-Variante von Sars-CoV-2. Jedoch bestehen die höchsten Tb-Inzidenzen in der WHO-Region Europa ausgerechnet in der Ukraine: 70 von 100 000 Menschen tragen die Mykobakterien in sich. Vor dem Krieg flüchten aktuell viele Menschen auch nach Deutschland, vor allem Frauen und Kinder. Gerade letztere sollten vor dem Schulbesuch einem Hausarzt vorgestellt werden – und dieser sollte die Möglichkeit einer Tb-Infektion im Auge behalten, erklärt Torsten Bauer, der unter anderem Präsident des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) ist. Besonders problematisch bei ukrainischen Tuberkulosepatienten sei, dass jeder dritte von ihnen von einem resistenten Erreger betroffen sei. In diesen Fällen dauere die Antibiotika-Therapie nicht nur ein halbes Jahr, sondern 18 Monate. Die Betroffenen sollten in spezialisierten Zentren behandelt werden. Als weitere Komplikation kämen Ko-Infektionen mit HIV und Hepatitis vor.
Sorgen macht den Lungenheilkundlern eine weitere Entwicklung, die zwar nichts mit krankmachenden Erregern zu tun hat, aber durchaus zu mehr Atemwegserkrankungen führen könnte. Die Rede ist von der noch in dieser Legislaturperiode geplanten Freigabe von Cannabis. Wolfram Windisch, unter anderem Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim, weist darauf hin, dass es bei regelmäßigem Inhalieren von Cannabis zu Veränderungen der Lungenfunktion kommt, unter anderem zu einer Überblähung. Chronischer Husten, Luftnot und häufige Infekte der Atemwege seien laut epidemiologischer Studien bei den Anwendern zu erwarten. Deren Schleimhäute seien oft geschädigt, es werde vermehrt Schleim gebildet. Abgesehen von diesen Schäden gibt es unter anderem Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen. Da Cannabis bislang in Deutschland fast nur illegal konsumiert werden konnte, fehlen genauere Daten. Deshalb fordern die Lungenmediziner in einer Stellungnahme eindringlich, dass zu den erwartbaren akuten und chronischen schädlichen Folgen belastbare Studien finanziert werden müssten. »Die Politik hat im Koalitionsvertrag verankert, ihre Drogenpolitik an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen messen zu lassen. Nun muss sie dies auch initiieren«, erklärte Windisch. Solche Studien sollten bereits vor der Legalisierung starten oder konzipiert werden.
Noch einmal bekräftigt wird auf dem Kongress der Lungenmediziner die Forderung nach einem Frühwarnsystem für virale Atemwegsinfekte. Unter anderem müssten hier, ähnlich wie bei der AG Influenza (wo bestimmte Arztpraxen an das Robert-Koch-Institut melden), Daten über Häufigkeit und Schweregrad von Infektionen aus den Krankenhäusern zusammengeführt werden. Langfristig sei ein solches System auch deshalb nötig, weil, wie der Lungenarzt Bauer erklärte, auch die nächste Pandemie vermutlich wieder von einem Virus ausgelöst würde. »Das wird kein Coronavirus sein, sondern ein anderes, mit dem wir nicht gerechnet haben.«
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