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Enkeltaugliche Politik
Die CDU will sich bis zur Europawahl 2024 ein neues Grundsatzprogramm geben – Konflikte sind vorprogrammiert
Grundwerte-Charta – das klingt nach den Vereinten Nationen, beinahe kosmopolitisch, einer Sache von größter Bedeutung für das menschliche Zusammenleben. PR-Sprache, das können die Strateg*innen im Konrad-Adenauer-Haus. Hinter dem Begriff steckt allerdings kein neuer Vertrag für die Weltgemeinschaft, die Realität ist dann doch profaner. Die fünfeinhalb Seiten umfassende Grundwerte-Charta ist der erste Baustein der CDU auf dem Weg zu einem neuen Grundsatzprogramm, das am Montag in Berlin vorgestellte Dokument soll später als Vorlage für die Präambel dienen. Immer vorausgesetzt, im Parteivorstand und auf einem Bundesparteitag im September findet das Papier eine Mehrheit. Dann würde die CDU zumindest schon einmal über ein Vorwort für ihr neues Grundsatzprogramm verfügen.
Bis zur Fertigstellung will sich die Partei Zeit nehmen, das fertige Dokument soll erst auf einem Parteitag im Jahr 2024 beschlossen werden, auf jeden Fall noch pünktlich vor der Europawahl. Bis dahin durchläuft das Programm eine Vielzahl an Arbeitsschritten. Am Anfang stehen zehn Fachkommissionen, die gerade angefangen haben, thematische Vorschläge zu erarbeiten. Danach folgen Regionalkonferenzen, eine Mitgliederbefragung und ein Grundsatzkonvent. So viel Basisbeteiligung gab es bei den bisherigen drei Grundsatzprogrammen nicht. Die letzte und aktuell gültige Fassung stammt aus dem Jahr 2007, Angela Merkel war da schon sieben Jahre Parteivorsitzende. Friedrich Merz will nicht solange warten.
Das alles klingt nach viel Aufwand und soll vermitteln, dass die CDU nicht mehr als Partei wahrgenommen werden will, in der zentrale Entscheidungen im Hinterzimmer fallen. »Wir brauchen wieder eine brennende, fesselnde und mutige Erzählung«, so Carsten Linnemann, Vorsitzender der CDU-Grundsatzkommission. Übertrieben pathetisch erklärte er am Montag bei der Charta-Vorstellung, das Grundsatzprogramm müsse am Ende so gestaltet sein, damit jedes Parteimitglied, »wenn es nachts um drei geweckt wird, die wichtigsten drei Punkte zitieren kann«.
An großen Worten spart auch der Präambel-Entwurf nicht. Wenig überraschend enthält das Dokument kaum konkrete Forderungen, setzt aber inhaltliche Schwerpunkte, wo sich die CDU in Zukunft verortet. Ein bisschen bedient die Charta alles: Altbekanntes, etwas Reformwillen, vor allem aber politische Schlagworte. Fehlen darf etwa nicht der obligatorische Hinweis, wonach sich die CDU als »Volkspartei der Mitte« versteht, für einen »weltoffenen Patriotismus« eintrete und sich zur »sozialen Marktwirtschaft« bekenne.
Neu dagegen ist, wie stark die CDU das Thema Klimaschutz betont. Versprochen wird nicht weniger als »den Weg zur Klimaneutralität« zu beschleunigen. »Die Menschen
sind nicht Schöpfer der Welt. Doch wir passen auf unsere Erde auf und machen deswegen kinder- und enkeltaugliche Politik«, heißt es. Diese bedeutungsschwer formulierte Passage könnte sich die CDU beinahe bei den Grünen abgeschaut haben.
Auch in anderen Passagen klingt die Sehnsucht durch, die Christdemokratie in eine konservative Version der Grünen zu entwickeln. Man wolle »vielfältigste Lebenswelten zusammenführen« und sich der Benachteiligung von Menschen »aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, wegen ihres Glaubens oder ihres Alters oder wegen anderer Merkmale« entgegenstellen. Wie konkret das aussieht, wird die Programmdebatte zeigen. Konflikte mit der teils streng konservativen Parteibasis, gerade in vielen Teilen Ostdeutschlands und im Südwesten der Bundesrepublik, sind vorprogrammiert.
Einen ersten Praxistest, wie ernst es mit der Modernisierung tatsächlich gemeint ist, wird es auf dem Parteitag im September geben: Dann will die CDU darüber abstimmen, ob bei Gremienwahlen künftig eine Geschlechterquote gilt.
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