Das Gespenst des Kommunismus

Sobald jemand in Deutschland Kommunismus sagt, rastet der liberale Mob auf Twitter völlig aus – trotz bemerkenswerter Unkenntnis der Geschichte, findet Ingar Solty.

  • Ingar Solty
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des Alten haben sich zu einer heiligen Hetzjagd verbündet, Julian Reichelt und Don Alphonso, Volker Beck und Marco Buschmann, deutsche Rassisten und ein liberaler Twitter-Mob, der sich in autoritären Bestrafungsfantasien ergeht.

Gegen wen? Gegen Elisa Aseva, eine Schwarze Frau, die vor 42 Jahren während der Flucht ihrer äthiopischen Eltern geboren wurde und in Deutschland aufgewachsen ist. Heute arbeitet sie in Berlin als Kellnerin und feierte vor einem Jahr ihr vielgepriesenes Debüt »Über Stunden«. Der Shitstorm im Internet hat dafür gesorgt, dass ihr – in kleiner Auflage erschienenes – Buch ausverkauft ist. Sie selbst wird hierdurch aber selbstverständlich nicht reich. Die Überstunden in der Gastronomie, die das Leben im Gentrifizierungsberlin mehr schlecht als recht finanzieren, werden also bleiben.

Ingar Solty
Solty, Ingar

Foto: privat
Ingar Solty ist Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Frau wird angegriffen, weil sie es im Rahmen eines ausführlichen, klugen und nuancierten Interviews im Deutschlandradio wagte, als Lyrikerin auch ihre politische Überzeugung kundzutun: Sie glaube, »dass wir den Kommunismus haben müssen, wenn wir eine Zukunft für alle wollen«. Deutschlandradio Kultur nutzte diesen Satz unabgesprochen in den sozialen Medien. Zur Bewerbung vielleicht, weil er für den ungewöhnlichen Mut der »Selfmade-Poetin« spricht, aber sicherlich auch mit dem Kalkül des vorhersehbaren Skandals. Man setzte Frau Aseva damit also auch den massiven Angriffen mit Gewaltfantasien in den sozialen Medien aus, denen vor allem Schwarze und in diesem Fall dazu noch lohnarbeitende Frauen ausgesetzt sind, wenn sie sich in der Öffentlichkeit links positionieren.

Man sollte nun meinen, Frau Aseva hätte alle Solidarität auch von Liberalen verdient. Ganz nach dem Motto des von ihnen gern bemühten Aufklärungsphilosophen Voltaire: »Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.« Tatsächlich versuchen indes gerade die, die sich ansonsten über linke »Cancel Culture« in Rage twittern, jetzt Frau Aseva zu canceln.

Die Angriffe dienen dem Zweck, einen Menschen fertigzumachen, um Tausende andere zu disziplinieren. Dabei scheint es, dass dies jede Dekade passieren muss, damit die Dosis wirkt; denn vor gut zehn Jahren war es Gesine Lötzsch, die als Parteivorsitzende der Linken für ihre Rede über »Wege zum Kommunismus« auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz wüsten Beschimpfungen ausgesetzt war, obwohl sie eine klare demokratisch-sozialistische Perspektive zum Ausdruck brachte.

Aber was kümmert das schäumende Twitter-Bürgertum (fast ausschließlich Männer) die Nuancierung? Die Angriffe zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Unkenntnis der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und des Kommunismus aus, ebenso der Bourgeoisie als Klassenträgerin des Liberalismus. Das ist jedoch kein Wunder. Dietmar Dath hat in seinem Husarenstück »für die, denen die Welt nicht gehört«, die Klasse der Eigentumslosen gemahnt, nie zu »vergessen, dass die Besitzenden und ihre Propaganda-Abteilungen grundsätzlich keine Vorstellung von Geschichte haben und nur dann so tun, als hätten sie eine, wenn sie ihr eigenes Verschwinden im Zuge geschichtlicher Umwälzungen fürchten«.

Aber da die Eigentumslosen sowohl ihre eigene als auch die Geschichte ihrer Gegner besser kennen müssen, wenn sie ihr Schicksal überwinden wollen, sei hier noch mal daran erinnert, welche Botschaft der – des Kommunismus lebenslang unverdächtige – Thomas Mann 1944 an seine eigene Eigentümerklasse richtete. Nämlich, dass die Zukunft sich »kaum ohne kommunistische Züge vorstellen lässt; das heißt, ohne die grundlegende Idee der gemeinsamen Eigentums- und Genussrechte an den Gütern der Erde, ohne eine fortschreitende Einebnung der Klassenunterschiede, ohne das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle«.

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