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Ein Fall für den Polizeibeauftragten
Die neu eingerichtete Beschwerdestelle könnte den Tod eines Obdachlosen aufklären
Es gibt ihn wirklich – den Polizeibeauftragten, zukünftige Anlaufstelle für Betroffene von Polizeigewalt, Ermittlungsinstanz bei behördeninternen Problemen und Gesicht einer Entwicklung hin zu mehr politischer Kontrolle der Exekutive. Am Donnerstag hat das Abgeordnetenhaus Alexander Oerke in die neu geschaffene Position gewählt. Damit wird ein Projekt zur Realität, das bereits 2016 seinen Anfang nahm und maßgeblich von der Berliner Linken vorangetrieben wurde.
Mitte Mai hatten sich die Regierungsparteien auf die Personalie Oerke geeinigt: Verwaltungsrichter, spezialisiert auf Polizeirecht, bisher Vize-Vorsitzender des Ersten Senats des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg. Eigentlich hätte die Ernennung noch in der vergangenen Legislaturperiode stattfinden sollen, aber Uneinigkeit über die Frage, wer den Posten tatsächlich übernehmen soll, verzögerte den Prozess. Niklas Schrader freut sich über die Wahl: »Wir haben jahrelang dafür gekämpft, jetzt wurde es endlich umgesetzt. Das war überfällig«, sagt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zu »nd«.
Noch ist viel zu tun, bevor Oerke loslegen kann. Mitarbeiter*innen müssten eingestellt, eine Homepage gebaut, Kontaktmöglichkeiten geschaffen werden, so Schrader. Einen traurigen Ermittlungsanlass gibt es hingegen bereits: Seit Anfang Juni ist bekannt, dass ein obdachloser Mann am 27. April gestorben ist – eine Woche nachdem er im Treptow-Köpenicker Ortsteil Niederschöneweide bei einem Polizeieinsatz verletzt worden war.
Die Polizei stellt das Geschehen vom 20. April in einer Pressemitteilung als Selbstverteidigung dar. Wegen Hausfriedensbruch gerufen, hätten die Beamt*innen den 39-jährigen Obdachlosen M. und zwei weitere Männer in einem Treppenhaus eines Wohnhauses an der Brückenstraße aufgefordert zu gehen. M. soll als Reaktion eine Glasflasche geworfen und sich geweigert haben, das Haus zu verlassen. Die Polizei habe Pfefferspray angewendet, woraufhin M. Atemprobleme bekommen habe und ohnmächtig geworden sei. Nach sofortiger Reanimation sei er in ein Krankenhaus gebracht worden.
Aktivistin*innen erzählen die Geschichte etwas anders. Nicole Lindner ist im Wohnungslosenparlament aktiv, kannte M. von einer früheren Kundgebung und ist jetzt in Kontakt mit den zwei Männern, die den Polizeieinsatz bezeugt haben. Nach deren Aussagen hätte sich M. zwar nach »unsanftem Aufwecken« durch die Polizei geweigert, seinen Schlafplatz zu verlassen, er sei aber mitnichten aggressiv geworden. Die Polizist*innen hätten dennoch auf ihn eingeprügelt, sagt Lindner zu »nd«. Sie vermutet, dass der gehbeeinträchtige M. einfach nicht so schnell aufstehen konnte wie seine beiden Freunde. »Ich finde es beschissen, wie mit Menschen umgegangen wird, die kein Zuhause haben«, sagt Lindner. Und selbst wenn sich M. gegen die Räumung gewehrt hätte: »Das ist doch kein Grund, auf jemanden einzuschlagen.« Sie erinnert sich an M. vor seinem Tod: Er wollte irgendwann auf dem Land leben, »und noch einmal ein richtiges Eisbein essen«.
Dass gerade Obdachlose ins Visier der Polizei geraten, ist nach Schraders Erfahrung keine Seltenheit. Die widersprüchlichen Darstellungen von Polizei und Aktivist*innen würden die Aufklärung von M.s Tod zu einem »klassischen Fall für den Polizeibeauftragten« machen. Dieser könne etwa Beamt*innen befragen, sich Akten besorgen und so zu einer eigenen Bewertung kommen, die auch als Grundlage für Disziplinar- oder gar Strafverfahren dienen könnte. Schrader und seine Parteikollegin Stefanie Fuchs haben am Donnerstag eine Schriftliche Anfrage zu etwaigen internen Ermittlungen und der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes an die Innenverwaltung gestellt.
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