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Stille Wasser sind tief – tiefe Staaten sind still
Neonazis gibt es auch im Umfeld des Fußballs. Nicht immer hat der Staat Interesse an Aufklärung
Michael Buback, Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts, will seit 45 Jahren wissen, wer seinen Vater getötet hat. Dass der Mord nie aufgeklärt wurde, meint er, könne daran liegen, dass eine »schützende Hand« über den Tätern schwebe. Dafür, dass Verena Becker die Todesschützin war, sprechen viele Indizien. Dennoch wurde die Frau auf Druck von Buback erst 2010 überhaupt in der Causa angeklagt – als Mittäterin, nicht etwa wegen Mordes. Alles, was sie hätte belasten können, wurde – erinnert sich der Anwalt der Familie – von der Bundesanwaltschaft »reflexartig zurückgewiesen«. Ihre Vernehmungsakten sind immer noch unter Verschluss. Stille Wasser sind tief. Und tiefe Staaten sind still. Besonders, wenn es um »schützende Hände« geht.
Wie bei Frau Becker wurden auch beim NSU kiloweise Akten geschreddert. Allerdings gibt es einen Namen, der von größtem Interesse wäre, wenn man das NSU-Netzwerk aufdecken will: Ralf Marschner, verwurzelt in der Zwickauer Rechtsrock-, Fußball- und Gewaltszene, hatte sich, nachdem er 1991 an einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim beteiligt war, endgültig qualifiziert, als V-Mann »Primus« fürs Bundesamt für Verfassungsschutz zu arbeiten. Heute lebt er in der Schweiz und ist von den Behörden angeblich nicht nach Deutschland zu lotsen. Das ist auch deshalb verwunderlich, weil in Fußballkreisen immer wieder zu hören war, dass Marschner zuweilen ganz freiwillig nach Deutschland kommt. Zum Beispiel, wenn sein Lieblingsverein in Grenznähe spielt.
Dass der Mann ein Strippenzieher im NSU-Umfeld war, ist lange bekannt. Wie Medienrecherchen nun ergaben, könnten die aber so intensiv gewesen sein, dass es einen zweiten Fall Verena Becker gibt, der Mantel des Schweigens also doch noch mal gelüftet werden sollte. Marschner hatte jedenfalls Kontakt zu rechten Nürnberger Hooligans, die ebenfalls im Verdacht stehen, zum NSU-Unterstützerkreis zu gehören. In Nürnberg mordete der NSU genauso wie in Dortmund, wo die beiden Uwes in der Nähe des Wohnortes eines BVB-Hooligans fotografiert wurden. Insofern gäbe es Überraschenderes, als wenn herauskäme, dass das NSU-Unterstützerumfeld auch an anderen Tatorten aus politik-affinen Hools bestand, die sich nach ihrem Bedeutungsverlust in den Kurven verstärkt der Politik verschrieben haben. Herauskommen wird das allerdings nie, denn es gibt schließlich die »Ämter«, die sich vor Gerichten und Untersuchungsausschüssen auf Geheimhaltungspflichten berufen können. Es sind die gleichen Ämter, die an dieser Stelle argumentieren würden, dass sie sich mit unappetitlichen Zeitgenossen einlassen müssen, um mehr über unappetitliche Szenen zu erfahren.
In der rechten Szene ist das Gelächter groß, wenn sie das hören. Das Amt erfahre von den eigenen Leuten nichts, was die nicht eh wissen könnten, wenn sie sich etwas cleverer anstellen würden, hieß es dort schon kurz nach Auffliegen des NSU. Das Staatsgeld, mit dem größtenteils wertlose Informationen bezahlt wurden, nehme man indes gerne und ohne Quittung entgegen, um den eigenen Apparat aufzubauen.
Dass Beate Zschäpe auf Antrag der gleichen Bundesanwaltschaft, die Becker nicht wegen Mordes anklagen wollte, lebenslang mit anschließender Sicherheitsverwahrung bekam, mag manchem gerecht vorkommen. Ich finde es erstaunlich, für wie viele Menschen das Wegsperren einer Symbolfigur einen Schlussstrich markiert. Zumindest so lange, bis mein Verdacht widerlegt ist, dass unter dem Schutz der Behörden Leute frei herumlaufen, die bei den NSU-Morden eine größere Rolle spielten als Zschäpe. Gerne lasse ich mich vom Gegenteil überzeugen. Lieber Verfassungsschutz, erzähl doch einfach mal, was du weißt. Ich entkorke eine gute Flasche, und du bringst Marschners Ralf mit. Seine Nummer hast du ja.
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