Einhorn mit vier Wänden

In Berlin stehen immer weniger Sozialwohnungen zur Verfügung – Tendenz weiter sinkend

  • Patrick Volknant
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine Entwicklung, die gerade ärmere Berlinerinnen und Berliner beunruhigen dürfte: Seit Jahren verliert die Hauptstadt massiv an Sozialwohnungen, und dies wird wohl auch in Zukunft weiter so sein. »Es gibt in diesem Jahr 90 000 Sozialwohnungen, im Jahr 2012 waren das noch 140 000«, sagt Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein im Ausschuss für Stadtentwicklung des Abgeordnetenhauses am Montag. Bis 2030, so schätzt die Expertin, seien es gar nur noch 41 000 solcher Wohnungen, die in Berlin übrig bleiben und die man nur mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) mieten kann.

Für Hamann ist klar: »Diese Problematik ist systemimmanent.« Die mit öffentlichen Mitteln gebauten Wohnungen sind nämlich nur für eine gewisse Zeit an ihren Status gebunden – so lange, bis die Mittel wieder zurückgezahlt sind. »Die Befristung der Belegungsbindung führt dazu, dass es innerhalb von 20 Jahren zu einem Verlust von ungefähr 100 000 Sozialwohnungen in Berlin kommen wird«, sagt Hamann. Da es zudem die Möglichkeit gibt, die Darlehen schneller zurückzuzahlen, könne sich dieser Trend sogar noch beschleunigen.

Schon jetzt besteht zwischen der Zahl derer, die nach einem Zuhause mit WBS suchen, und dem Angebot belegungsgebundener Wohnungen eine Lücke. Zugleich hapere es am Neubau von Sozialwohnungen, obwohl dieser seit 2014 wieder gefördert wird: »Berlin hat in den letzten Jahren durchschnittlich 14 000 Wohnungen gebaut. Davon waren aber nur 1481 Wohnungen im Schnitt Sozialwohnungen.« Das Missverhältnis, so Hamann, sei offensichtlich.

»Sozialer Wohnungsbau hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition und wurde stets von privaten, genossenschaftlichen und kommunalen Unternehmen gemeinsam geleistet«, sagt hingegen Mario Hilgenfeld vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Das Ende einer Bindung bedeute nicht automatisch, dass soziale Aspekte verloren gingen. Viele der einstigen Sozialwohnungen befänden sich heute in Händen von Genossenschaften oder städtischen Gesellschaften, so Hilgenfeld. »Bei diesen Eigentümergruppierungen gibt es besondere soziale Verpflichtungen.«

Bereits in der Vergangenheit habe man mit ausgebauten Fördermöglichkeiten auf prekäre Lagen reagiert. »Und wo stehen wir heute?«, fragt Hilgenfeld. »Der Wohnungsmarkt ist weiter angespannt.« Für die Zukunft müsse, statt über sozialen Wohnungsbau, eher über alternative Förderstrukturen nachgedacht werden. Laut Hilgenfeld seien etwa einkommensorientierte Zuschüsse für Mieterinnen und Mieter denkbar.

Fest steht: Im internationalen Vergleich ist Deutschland mit keinem besonders großen sozialen Wohnungsbestand ausgestattet. Von europäischen Spitzenreitern wie den Niederlanden, Dänemark oder Österreich ist die Bundesrepublik weit entfernt. An Alternativen für diejenigen, die ihre Sozialwohnung in Berlin verlassen wollen, scheint es im privaten Mietsektor zu mangeln. Die Umzugsneigung schwindet seit Jahren.

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) erklärt den Wegfall von Sozialwohnungen zum Problem. »Wir brauchen eine Wohnungsbauförderung, die wirtschaftlich attraktiv ist, nicht nur für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, sondern auch für private Bauherren«, bleibt er dabei dem Mantra der Berliner SPD – »Bauen, bauen, bauen«, vor allem mit privaten Unternehmen – treu. Bis 2030 sollen laut Geisel jährlich 5000 neue Sozialwohnungen entstehen, vorrangig innerhalb des S-Bahn-Rings. Im vergangenen Jahr konnte mit 1011 allerdings nur ein Fünftel dieser Zielsetzung erreicht werden.

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