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  • AfD-Bundesparteitag in Riesa

Der Schatten von Kalbitz liegt über Riesa

Völkische Kräfte wollen die AfD mittels Satzungsänderungen radikal umbauen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Gleich drei volle Tage trifft sich die AfD zu ihrem Bundesparteitag im sächsischen Riesa. Dass das nicht übertrieben ist, beweist ein Blick auf frühere Delegiertentreffen. Viele Mitglieder sind nicht nur äußerst diskussionsfreudig, manche Debatte auf früheren Parteitagen artete in eine machtpolitische Schlammschlacht aus. Auch sind Personenwahlen bei der AfD anders als in anderen Parteien. Regelmäßig kommt es zu bereits auf den ersten Blick aussichtlosen Kandidaturen, gibt es mehr als eine Bewerbung für einen Posten oder Listenplatz, sind Pattsituationen keine Seltenheit. Wahlen bedeuten bei der AfD oft eine Geduldsprobe, weshalb Debatten über Anträge entweder oft zu kurz kommen oder gar nicht mehr stattfinden. In Riesa liegen den Delegierten allerdings einige prokante Vorschläge vor, die – sollte es für eine inhaltliche Diskussion und eine Mehrheit reichen – weitreichende Folgen für die gesamte Partei hätten.

Über zwei Anträge mit ähnlicher Stoßrichtung müsste der Parteitag zwingend entscheiden, noch bevor sich die Delegierten den Vorstandswahlen widmen. Beide Anträge sehen vor, dass die AfD künftig auch von nur noch einem Bundessprecher geführt werden kann. Bisher ist in der Satzung mindestens eine Doppelspitze vorgeschrieben, möglich sind aber auch drei Vorsitzende. Zwar sind sämtliche Anträge für den Parteitag auf der AfD-Website nur anonymisiert abrufbar, dem Vernehmen nach stammt der Vorstoß jedoch aus den Reihen der völkischen Nationalist*innen, deren Kalkül es sein dürfte, mit der Durchsetzung einer Einzelperson an der Parteispitze ihre Macht auszubauen. Für die entsprechende Satzungsänderung wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Spaß und Verantwortung

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Aus dem Landesverband Brandenburg kommt der Antrag, das 2021 vom Bundesvorstand gegen Andreas Kalbitz erlassene Auftrittsverbot bei Parteiveranstaltungen aufzuheben. Die Parteispitze erklärte nicht nur die AfD-Mitgliedschaft des Rechtsradikalen für ungültig, weil Kalbitz bei Parteieintritt frühere Mitgliedschaften bei den Republikanern und der »Heimattreuen Deutschen Jugend« verschwiegen hatte, sondern untersagte dem Landesverband zudem, ihren einstigen Vorsitzenden auf Veranstaltungen einzuladen. Um die Aufhebung eines Verbots geht es auch im Fall von »Zentrum«, früher auch bekannt als »Zentrum Automobil«. Das »Zentrum« ist eine rechte Kleinstgewerkschaft, die der AfD-Bundesvorstand aus Angst vor dem Verfassungsschutz im Herbst vergangenen Jahres auf die Unvereinbarkeitsliste setzte. »Zentrum« pflegt Verbindungen zu völkischen Projekten, darunter das »Compact«-Magazin und das Netzwerk »Ein Prozent«.

Ebenfalls aus dem Lager der Völkischen stammt ein Antrag, der auf den ersten Blick technokratisch wirkt, jedoch für die Beteiligten erheblichen Einfluss auf den künftigen Aufbau der Partei bedeuten würde. Gefordert wird, dass der am Wochenende neu gewählte Bundesvorstand auf seiner ersten Sitzung die Einrichtung einer Kommission zur Vorbereitung einer Parteistrukturreform beschließt, bestehend aus maximal zehn Personen, inklusive einer Leitung, die eng mit dem Vorstand zusammenarbeitet. Dass der Antrag von Björn Höcke stammt, ist trotz Anonymisierung kein Geheimnis. Der einflussreiche Thüringer Landeschef veröffentlichte auf seiner Facebookseite gleich drei Texte dazu. Ziele der Kommission sollen sein, die Wahlverfahren auf Parteitagen zu überarbeiten und Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitglieder des Bundesvorstands zu schaffen, die gegen Parteitagsbeschlüsse verstoßen. Auch die Rolle der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, besonders bei der Nachwuchsförderung, soll hinterfragt werden.

Höckes Kalkül: Erhält der Antrag eine Mehrheit und setzen sich bei den Vorstandswahlen überwiegend völkische Kräfte durch, stünde einem Parteiumbau in ihrem Sinne kaum noch etwas entgegen. Am Ende übernimmt der Faschist womöglich selbst die Leitung der Kommission.

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