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  • Studie EU-Verteidigungspolitik

Europas Rückkehr zur bewaffneten Aggression

Der Strategische Kompass der EU zur Machtpolitik bedeutet Drohung, Abschreckung und Rüstung zugleich

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wer einen Kompass benötigt, hat meist zuvor die Orientierung verloren«, leitet Jürgen Wagner von der Tübinger Informationsstelle für Militarisierung seine Studie ein, die er für das Rosa-Luxemburg-Büro Brüssel zur Machtpolitik der Europäischen Union erarbeitet hat. Den Kurs, den die EU im sogenannten Strategischen Kompass aufzeigt, allein auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zurückzuführen, würde zu kurz greifen. Für Wagner ist klar: Die EU und ihre Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sind auf Abwegen. Das führt Wagner in seiner 42-seitigen Studie aus, die er am Mittwochabend vorstellte.

Den Ende März dieses Jahres verabschiedeten EU-Kurs rechtfertigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wortreich: »Wir haben bereits mit der Arbeit am Kompass begonnen, als wir spürten, dass die EU in einer Welt der Machtpolitik die Sprache der Macht sprechen und ihre kollektive Handlungsfähigkeit ausbauen muss. Für die praktische Umsetzung soll der Strategische Kompass sorgen.« Dass das Ziel ist, auch ohne die Nato Armeen koordinieren und in einem Krieg bestehen zu können, wird spätestens bei den Vorschlägen deutlich, die umfassend gemacht werden. Nicht nur die personelle Ausrüstung, sondern auch Rüstungsziele werden unverblümt dargelegt. Die Ausrede für die Kriegsstrategie liefert der Aggressor Russland in vielfältiger Weise durch das außenpolitische Handeln in den letzten Jahren. Russische Kriseneinmischung in Libyen, Syrien, der Zentralafrikanischen Republik und in Mali benennt der Kompass als »langfristige und unmittelbare Bedrohung für die europäische Sicherheit«. Dass auf diese Bedrohung primär mit Rüstung reagiert wird, ordnet Wagner als problematisch ein. Chancen werden so vertan, wenn vertrauensbildende Maßnahmen, Abrüstungsinitiativen und Rüstungskontrolle »im Kompass leider ein Schattendasein« führen.

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Schon in diesem Jahr wird mit dem Aufbau einer »EU-Schnelleingreifkapazität« begonnen, sodass bis 2025 bis zu 5000 Einsatzkräfte mit Land-, Luft- und Marinekomponenten bereitstehen sollen. Voran geht natürlich Deutschland, das den Kern dieser Einsatzkräfte stellen will. Damit diese Truppen nicht zum Einsatz kommen, müsste – so der Kompass – ein Drittel der EU-Länder, die mindestens ein Drittel der EU-Bevölkerung repräsentieren, einen militärischen Einsatz ablehnen oder sich zumindest enthalten. »Das wesentliche Ziel scheint darin zu bestehen, dass skeptische Staaten künftig unter enormen Druck geraten, den Weg für eine Koalition der Willigen frei zu machen«, beschreibt Wagner. Statt eines Vetos soll der Ausweg einer »konstruktiven Enthaltung« den Weg frei machen.

Dass die politische Bereitschaft zu mehr Rüstung auch in wirtschaftliche Dimensionen ausstrahlt, zeigen dann auch konsequent die Planungen beim zukünftigen Luftkampfsystem FCAS

und dem Kampfpanzersystem MGCS. Die großen Profiteure: Deutschland und Frankreich.

Um diese Projekte zu realisieren, muss selbstverständlich mehr investiert werden. Künftig dürfte also nicht nur seitens der Nato Druck ausgeübt werden, mehr zu rüsten, sondern auch von der EU. Mit Steuerschlupflöchern, die gemeinsame Rüstungsprojekte und Beschaffungen von der Mehrwertsteuer ausnehmen sollen, will die EU-Kommission die Anreize für Rüstung erhöhen. Noch ist der Vorschlag nicht spruchreif, soll aber bis Anfang 2023 ausgearbeitet werden.

Dass mit diesen Absichten nicht nur mehr europäische Autonomie, sondern auch weniger Rüstungseinkäufe in den USA den mächtigen Nato-Partner verärgern könnten, sieht Wagner als künftiges Problem an. Wie das gelöst werden soll, ist noch offen und hängt vor allem von den Reaktionen der USA ab. Bislang ziele der Strategische Kompass vor allem auf eine Rückversicherung und Kooperation, eröffne in den Rüstungsprojekten, Einsatz- und Finanzplanungen der EU-Politik durchaus die Option, sich zu einer Gegenmacht aufzuschwingen.

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