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Giffeys Traum zerplatzt
Die SPD-Landesvorsitzende steht vor den Scherben des ersehnten Wohnungsbündnisses
An diesem Montag sollte das von Franziska Giffey (SPD), der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, vorangetriebene Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen seine Arbeit besiegeln. Ein Partner, der Berliner Mieterverein, teilte allerdings am Morgen mit, dass er »dem Bündnis auf Basis der vorgelegten Bündnisvereinbarung nicht als Partner beitreten« werde.
Der Geschäftsführer des Mietervereins, Reiner Wild, erklärte, man habe über mehrere Monate »in engagierten und oft kontroversen Diskussionen nach gemeinsamen Positionen und einigermaßen verbindlichen Regeln« gesucht. »Am Ende müssen wir aber feststellen, dass das Erzielte aus Sicht der Mieter und Mieterinnen Berlins nicht reicht für eine Unterschrift unter eine Vereinbarung, für deren wenige Vorteile der Mieterverein dann aber mit in die Verantwortung genommen würde«, so Wild. Denn: »Für einen besseren Mieterschutz und auch für mehr preisgünstigen Neubau gibt es keine verbindlichen Aussagen mit breiter Wirkung.« Vielmehr fehle jedwede Zusage »für eine verbesserte Mietpreisbremse bei Wiedervermietung, für einen geringeren Mietenanstieg nach Modernisierung und für eine Begrenzung der Heizkosten bei energetisch schlechten Wohngebäuden«.
Bereits vor knapp drei Wochen hatte die Landesregierung das sogenannte Mietenmoratorium beerdigt. Die gewissermaßen als Ersatz angebotenen Kappungsgrenzen von zwei Prozent bei Mieterhöhungen durch große Wohnungsunternehmen für deren Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) ebenso wie eine Kappung von Mieterhöhungen für WBS-Berechtigte bei 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens – jeweils als Härtefallregelung – seien wirkungslos, lautet die Einschätzung des Mietervereins. Nach dessen Berechnungen kämen überhaupt nur rund 150 000 Mieter*innen theoretisch in den Genuss der neuen Mietenkappung, wovon vermutlich mehr als ein Drittel bei Vonovia/Deutsche Wohnen lebt, für das diese Kappung schon gelte. »Ungenügend ist die Regelung auch, weil sie nur auf die Kappung der Nettokaltmiete abstellt, die massiven Wohnkostensteigerungen in den nächsten Jahren aber auch sehr stark auf den Anstieg der Heiz- und Warmwasserkosten zurückzuführen sein werden«, heißt es weiter.
Der energetischen Verbesserung der bestehenden Wohngebäude und der Wärmewende mit sozial verträglichen Mieten sei trotz der dringenden Klimaschutzanforderungen praktisch »gar kein Stellenwert« eingeräumt worden. Auch für Milieuschutzgebiete werde der Konflikt von Sozialverträglichkeit und Klimaschutz nicht angegangen, so der Mieterverein.
Das Konzept beruhe insgesamt auf Unverbindlichkeit: Lösungen würden nur »angestrebt« oder als wenig präzises Ziel benannt, die unterschreibenden Verbände können »ihre Mitglieder nur ermuntern oder auffordern«, daran mitzuwirken.
Auch die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« griff die SPD-Parteispitze erneut an. Das Bündnis ist aus ihrer Sicht ohnehin nur Kosmetik angesichts der fehlenden Bereitschaft, die Forderung nach einer Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Gesetzesform zu gießen. »Wer keinen politischen Willen zur Umsetzung des Volksentscheides zeigt, sollte auch keine Regierungsverantwortung übernehmen«, forderte der Sprecher der Initiative, Kalle Kunkel, am Montag.
Franziska Giffey hat nun mehr als ein Problem. Bei der Wiederwahl als SPD-Landesvorsitzende auf dem Landesparteitag am Sonntag erhielt sie nur 58,9 Prozent der Stimmen. Eine Mehrheit der Delegierten gab außerdem einem Antrag statt, der einen Planungsstopp für den Weiterbau der Stadtautobahn A100 im Osten Berlins fordert. Auch ein Antrag für eine möglichst schnelle Umsetzung der Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen im Fall eines positiven Votums der Expertenkommission fand eine Mehrheit. »Für uns hat sich dieses Ergebnis im Vorfeld nicht abgezeichnet, das muss man ganz klar sagen«, räumte Giffey am Sonntag in der »Abendschau« des RBB ein und kündigte an, im Landesvorstand werde man sich das genau ansehen und darüber reden. »Und ich wünsche mir dann, dass diejenigen, die jetzt so entschieden haben, dann auch deutlich selbst sagen, was ihre Probleme sind.«
Die liberal-konservative Opposition kritisierte Giffey scharf. »Nach gestern ist klar: Die Inhalte von Franziska Giffey finden sich in ihrer eigenen Partei nicht wieder«, teilte die Berliner FDP am Montag mit. Die Regierende Bürgermeisterin stelle sich nach außen als Bürgerliche dar, könne diese Themen aber selbst in der eigenen Partei nicht durchsetzen. Die Positionierungen zum Weiterbau der A100 und ein entschiedenes Nein zu Enteignungen im Wahlkampf hätten die SPD und damit Franziska Giffey überhaupt erst ins Rote Rathaus getragen. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja twitterte nach Abschluss des Parteitags, Giffey habe ihre Partei verloren. »Und alles, wofür sie im Wahlkampf angetreten ist.«
Auch der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, forderte, Giffey müsse sich ernsthaft fragen, welcher Partei sie da vorstehe und ob sie »mit dieser ›Rückendeckung‹ weiter regieren« könne. Der CDU-Vorsitzende Kai Wegner verlangte Nachverhandlungen für das Wohnungsbündnis. Ausgerechnet die Lobbypartei der Berliner Immobilienwirtschaft gab sich besorgt um die Mieter*innen: Diese würden angesichts der in Frage gestellten Bündnisvereinbarung »einmal mehr von der SPD-Grüne-Linke-Koalition enttäuscht«.
Derweil gelangt die SPD-Innensenatorin Iris Spranger an anderer umstrittener Stelle durchaus zu Unterschriften: Das mietenpolitische Bündnis Kotti für alle berichtet am Montagmorgen, es habe erfahren, dass der Mietvertrag für die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor zwischen BiM GmbH und Gewobag bereits eine unterschriebene Sache sei. Man sei »fassungslos mit welcher Ignoranz gegenüber Widerspruch und Kritik von allen Seiten Frau Innensenatorin hier ihr persönliches Prestige-Projekt rücksichtslos durchpeitscht«, sagt Lino Hunger von der Initiative.
Clara Hermann, grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg schreibt dazu auf dem Nachrichtenportal Twitter: »Puh. Fakten werden geschaffen, die Nachbarschaft leider nicht einbezogen.«
Erst vor gut einer Woche hatten sich diverse Akteure vom »Kotti« mit einem Offenen Brief an Senat und Abgeordnetenhaus gewandt. Darin forderten sie, »auf die Bremse zu treten«, Wissenschaft und Akteure vor Ort in Planung und Entwicklung von Konzepten für den Kotti »endlich einzubeziehen« und den Bau der Wache »am geplanten, symbolträchtigen Ort über den Köpfen der Menschen« zu stoppen – die Wache soll in Räumen im Hochhaus, unter dem die Adalbertstraße hindurch führt, angesiedelt werden. Das Vorgehen Iris Sprangers zeige, »wie egal ihr am Ende die Interessen der Menschen vor Ort und sogar in den eigenen Reihen sind«, sagt Lino Hunger. Man sei »sehr wütend über den heimlichen Mietvertragsabschluss«.
Da der Bezirk von den Planungen der Wache weitestgehend ausgeschlossen blieb, hatte man Iris Spranger für den morgigen Dienstag zu einer öffentlichen Ausschusssitzung der Bezirksverordnetenversammlung eingeladen. Die Innensenatorin sagte ab: aus Zeitmangel. Mit dpa
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