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Wie ein politischer Selbstmordtrip
Harin Fernando, Minister für Tourismus von Sri Lanka, will es niemandem recht machen
Herr Minister, Sri Lanka befindet sich in der schlimmsten Krise seit der Unabhängigkeit. Die Menschen kämpfen mit Treibstoffmangel, Stromausfällen, fehlenden Medikamenten und explodierenden Lebensmittelpreisen. Angesichts dieser innenpolitischen Rahmenbedingungen haben Sie kürzlich das Amt des Ministers für Tourismus übernommen.
Harin Fernando, Jahrgang 1977, hat im Mai das Amt des Ministers für Tourismus in Sri Lanka übernommen. Der 44-Jährige ist schon seit Jahren politisch aktiv, war ein Kritiker der Regierung, der er jetzt selbst angehört. Er traf sich mit der Vorsitzenden des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestags sowie dem Geschäftsführer des Deutschen Reiseverbands (DRV), um seine Pläne für die Sicherung und den Ausbau des Tourismus in Sri Lanka vorzustellen. Mit ihm sprach für »nd« Ramon Schack.
Richtig, einen schlimmeren Zeitpunkt hätte ich mir nicht auswählen können. Ich selbst fühle mich wie auf einem politischen Selbstmordtrip, so habe ich es gegenüber den Medien in Sri Lanka ausgedrückt. Als die Krise begann, war niemand bereit, Verantwortung zu übernehmen, auch nicht in meiner Partei. So übernahm ich also das Amt, ohne Mandat, davon ausgehend, dass ich es niemandem recht machen würde.
Kritiker werfen Ihnen Verrat an der Opposition vor. Sie waren zuvor Mitglied der oppositionellen Partei Samagi Jana Balawegaya (SJB) und sind nun Minister in der von der SLPP beherrschten Regierung. Als Grund haben Sie angegeben, Sri Lanka von der aktuellen Krise erlösen zu wollen.
Ja, ich habe die politische Verantwortung übernommen, weil ich mich mit dem Gefühl konfrontiert sah – wie viele meiner Landsleute –, dass es mit Sri Lanka zu Ende geht.
Sie haben dem Präsidenten stets Versagen vorgeworfen. Jetzt arbeiten Sie mit ihm gemeinsam in einem Kabinett. Wie läuft die Zusammenarbeit mit einem Präsidenten, der die Bevölkerung Sri Lankas verloren hat?
Sachlich und lösungsorientiert. Mein Aufgabenbereich Tourismus wurde von der Pandemie und der jetzigen Krise schwer getroffen. Zur Stunde arbeite ich mit meinen Mitarbeitern daran, diesen existenziell wichtigen Sektor für die Volkswirtschaft Sri Lankas auszubauen.
Gerade als sich Sri Lanka aus dem lähmenden Griff der Covid-19-Pandemie gelöst hatte, da versetzten die Unruhen der Tourismusbranche einen gehörigen Dämpfer. Die Zahl der ausländischen Besucher ist im April deutlich gesunken im Vergleich zum Vormonat, wobei ein Großteil der Reisenden seinen Urlaub bisher trotzdem relativ störungsfrei verbringen kann.
Die aktuellen Nachrichten vermitteln der Welt ein Bild, das düsterer ist als die Realität. Die Krise hat Touristen bisher kaum betroffen, da die Veranstalter vor Ort auf Gäste gut vorbereitet waren. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass das Image des Tourismus in Sri Lanka momentan ausbaufähig ist. Es handelt sich ja um den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes. Zu schaffen macht uns insbesondere der Einbruch der Zahl indischer Gäste, die in den vergangenen Jahren zu einer der größten Gruppen ausländischer Gäste aufgestiegen sind – neben Touristen aus dem Vereinigten Königreich und der Volksrepublik China. Allerdings bin ich optimistisch, dass es sich hierbei nur um eine Momentaufnahme handelt.
Wie haben sich die Beziehungen zwischen Sri Lanka und Indien durch den wachsenden Tourismus verändert?
Positiv. Tourismus bringt Menschen zueinander. Wir versuchen, auf dem indischen Markt präsent zu bleiben, sodass Sri Lanka in Indien immer mit positiven Assoziationen in Verbindung gebracht wird.
Sie selbst sind Katholik, bezeichnen sich als weltoffen. Sehen Sie sich auch als Botschafter für ein neues Sri Lanka, das nicht mehr vom Konflikt zwischen Tamilen und Singhalesen geprägt ist?
Auch ich bin fest davon überzeugt: Innerhalb der jüngeren Generation, der gebildeten Schichten, spielt es keine Rolle mehr, welcher ethnischen oder religiösen Gruppe man angehört. Diese Generation vertritt ein Sri Lanka in seiner ganzen Vielfalt. Der Tourismus ist dabei hilfreich, deshalb muss er auch gefördert werden, denn er heilt auch Wunden, die in der Vergangenheit geschlagen wurden.
Was muss geschehen, um die Wunden der aktuellen Krise in Sri Lanka zu heilen?
Wir müssen eine Rückkehr zur »billigen Politik«, wie ich sie nenne, verhindern. Diese Politik, basierend auf Lügen, hat den Hass hervorgerufen, den viele Einwohner Sri Lankas gegenüber Politikern empfinden, auch das Blutvergießen. Mich selbst hatte das enorm geschockt. Ohne Wahrheit oder Wahrhaftigkeit wird es nicht gehen. Ein »Weiter so« ist das Letzte, das wir benötigen.
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