Bewegungslinke in der Mehrheit

Im Bundesvorstand sind nach der Wahl am Samstag keine dem Wagenknecht-Lager zugerechneten Personen mehr vertreten

Der neu gewählte Vorstand der Linken Foto: dpa/Martin Schutt
Der neu gewählte Vorstand der Linken Foto: dpa/Martin Schutt

»Zweites Hufeisen« – so kommentierte eine Delegierte auf dem Linke-Parteitag die Abstimmung über den neuen Parteivorstand. Aus ihrer Sicht gibt es nicht nur in der Bundestagsfraktion, sondern auch im Vorstand ein taktisches Machtbündnis verschiedener Lager. Diese Lesart würde allerdings auch bedeuten, dass Vorstandswahlen auf Parteitagen abgekartete Spiele sind, bei denen Delegierte den Empfehlungen von Masterminds folgen.

Tatsächlich gibt es im neuen Bundesvorstand eine noch größere Mehrheit der Ende 2019 als Arbeitsgemeinschaft der Partei gegründeten Bewegungslinken. Ihr werden die wiedergewählte Kovorsitzende Janine Wissler ebenso zugerechnet wie drei von vier stellvertretende Vorsitzende, nämlich die Gewerkschafterin Jana Seppelt, der Bundestagsabgeordnete und bayerische Landeschef Ates Gürpinar und der Klimaschutzexperte Lorenz Gösta Beutin. Zudem gehören allein neun der 18 »einfachen« Vorstandsmitglieder zur Bewegungslinken, dagegen nur sechs zum klassischen Reformerlager.

In den Spitzenpositionen sind die Reformer gleichwohl mit Katina Schubert, die als Vizechefin im Amt bestätigt wurde und dem Berliner Landesverband vorsteht, wie auch mit dem neuen Kovorsitzenden Martin Schirdewan und dem wiedergewählten Bundesschatzmeister Harald Wolf prominent vertreten.

Vor der Vorstandswahl hatten die Delegierten eine Satzungsänderung beschlossen, nach der der Bundesvorstand von insgesamt 44 auf 26 Mitglieder verkleinert wurde. Dies beinhaltete auch, dass es ab sofort nur noch vier statt sechs stellvertretende Vorsitzende gibt. Wohl deshalb scheiterte auch der ebenfalls zum Reformerlager zählende Wulf Gallert aus Sachsen-Anhalt mit seiner Bewerbung als Parteivize. Er wurde jedoch als Mitglied des Vorstands bestätigt.

Eine Gruppierung ging bei der Neuwahl des Spitzengremiums komplett leer aus: die Strömung Sozialistische Linke (SL), deren Aktive zumindest wirtschafts- und sozialpolitisch überwiegend dem Lager um die frühere Chefin der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, angehören. Allerdings war die SL, aus der die Bewegungslinke 2018 im Streit um migrationspolitische Forderungen von Aktiven aus dem Umfeld von Sahra Wagenknecht hervorgegangen ist, schon im vorigen fast doppelt so großen Bundesvorstand nur noch mit drei Personen vertreten.

Zudem zogen beim Parteitag in Erfurt fünf von elf Kandidat*innen ihre Bewerbung zurück, unter ihnen Friederike Benda, die sich als stellvertretende Vorsitzende beworben hatte und auch aus Gründen der Geschlechterquotierung bei den Spitzenämtern mit Sicherheit gewählt worden wäre. Die 34-Jährige hatte am Samstag jedoch am Ende ihrer Bewerbungsrede verkündet, sie ziehe zurück und stehe für den Vorstand nicht mehr zur Verfügung. Zur Begründung erklärte sie, die Delegierten hätten sich mit den vorangegangenen Personalentscheidungen bei der Wahl der Vorsitzenden, des Bundesschatzmeisters und des Bundesgeschäftsführers für ein »Weiter so« und nicht für einen Aufbruch entschieden.

Doch mit den Zuordnungen zu bestimmten Machtblöcken ist es nicht so einfach. Denn Menschen agieren nicht generell als Handlanger bestimmter Lager, sondern eben auch selbstbestimmt. Tobias Bank etwa, der überraschend zum Bundesgeschäftsführer der Linken gewählt wurde, wurde im Vorfeld dem Reformerlager zugeordnet, was daraus geschlossen wurde, dass er Mitarbeiter der Bundestagsfraktion ist und dem Kreis um Fraktionschef Dietmar Bartsch zugerechnet wird. Im Gespräch mit »nd« versicherte der 36-jährige Brandenburger jedoch, er sei »strömungslos«. Schon in seiner Bewerbungsrede hatte er betont, er wolle die Partei einen, wolle »serviceorientiert« mit den Genoss*innen der Kreisverbände und Basisgruppen zusammenarbeiten und sie dabei unterstützen, die kommunalpolitische Verankerung der Partei zu stärken. Ihm sei es wichtig, dass Mitglieder nicht in Schubladen gesteckt werden: »Es muss entscheidend sein, wer die beste Idee hat und nicht, aus welchem Stall er kommt.« Bank hatte sich bei der Wahl am Samstag gegen den Berliner Janis Ehling durchgesetzt, der als Favorit ins Rennen gegangen war.

Seine erste Amtshandlung werde sein, die Landesverbände zu besuchen, kündigte Bank gegenüber »nd« an. Sein erstes Ziel ist Leipzig, wo er mit dem direkt gewählten Bundestagsabgeordneten und Stadtrat Sören Pellmann sprechen will – ein Signal an den bei der Wahl des Kovorsitzenden unterlegenen Bewerber, dass man die Kooperation sucht.

Etliche Vertreter der Sozialistischen Linken wie der Gewerkschafter Ralf Krämer sehen die Partei indes mittlerweile derart auf dem falschen Pfad identitätspolitischer Selbstbeschäftigung, dass sie sie für verloren halten. Der neue Vorstand muss nun nicht nur Leute wie ihn einbinden, sondern auch eine gute Zusammenarbeit mit der Fraktion organisieren. Dort ist das Lager um Wagenknecht durch das Bündnis mit Teilen des Reformerlagers weiterhin stark.

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