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Senegal trudelt in die Instabilität
Nach Ablehnung der Oppositionsliste für die Parlamentswahlen kommt es zu Unruhen mit Toten
In Elmau wurde er hofiert, in Senegal ist er umstritten: Der senegalesische Präsident Macky Sall war als turnusmäßiger Präsident der Afrikanischen Union von Bundeskanzler Olaf Scholz zum G7-Gipfel eingeladen worden. Im Senegal selbst lässt Sall offen, ob er 2024 zum dritten Mal zur Präsidentschaftswahl antritt – entgegen Artikel 27 der Verfassung, der maximal zwei aufeinanderfolgende Mandate erlaubt. Zur Beruhigung der angespannten Lage trägt das nicht bei.
Macky Salls hauptsächlicher Gegenspieler im Lande ist Ousmane Sonko vom Oppositionsbündnis Yéwi Askane Wi. Seit seiner vorübergehenden Festnahme im März 2021 hat das Land mit wachsender Instabilität zu kämpfen. Sonko wurde Vergewaltigung und Störung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen, was seine Anhänger zu Protesten anstachelte und zu den schwersten Ausschreitungen seit Jahrzehnten führte. Nicht nur in der Hauptstadt Dakar, sondern auch im Süden des Landes, in Ziguinchor, lieferten sich Tausende junge Menschen Straßenkämpfe mit Polizisten; dabei gab es mehrere Tote und unzählige Verletzte. Der mittlerweile längst wieder freigelassene Sonko wies die gegen ihn erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe zurück und witterte ein Komplott: Die Anschuldigungen seien ein Versuch des senegalesischen Präsidenten Macky Sall gewesen, ihn politisch zu diskreditieren, sagte Sonko.
2024 wählen die Senegalesen einen neuen Präsidenten, und Amtsinhaber Sall schickt sich an, ein drittes Mal zu kandidieren, auch wenn er dies noch nicht öffentlich erklärt hat. Viele sind über die mögliche Kandidatur Salls verärgert, da er laut Verfassung eigentlich nicht antreten dürfte. Der 47 Jahre alte Ousmane Sonko und seine Anhänger sehen die senegalesische Demokratie in Gefahr und fordern deshalb bereits den Rücktritt Salls, der im April 2012 demokratisch an die Macht kam. Keine Woche vergeht, ohne dass Sonko öffentliche Demonstrationen gegen Sall und dessen Regierung organisiert.
Sonko wurde bei der vergangenen Präsidentenwahl im Jahre 2019 Dritter. Als amtierender Bürgermeister von Ziguinchor ist er besonders bei jungen Menschen beliebt, gilt ihnen als Hoffnungsträger. Sie haben ihn daher zur Symbolfigur der Opposition gemacht. Nur verständlich, dass auch Sonko erneut für das Präsidentenamt kandidieren will, allein um eine dritte Amtszeit Salls zu verhindern.
Etwa die Hälfte der Senegalesen ist jünger als 18 Jahre, und viele unter ihnen sind mit der Regierung Sall nicht zufrieden, weil sie kaum Verbesserungen in ihrem Leben spüren. Zudem macht der Ukraine-Krieg insbesondere Nahrungsmittel im armen Senegal teuer.
Nun steht Sonko wieder im Fokus. Genauer: seine Oppositionskoalition Yéwi Askane Wi (YAW). Die nationale Wahlliste von YAW ist nämlich Anfang Juni wegen formaler Fehler nicht zugelassen worden für die am 31. Juli geplanten Parlamentswahlen. Auch andere Parteien wurden von der Liste gestrichen, weil sie die Anzahl der sogenannten Parrains, der Paten eines Kandidaten, nicht erreicht hatten. Andere hatten Doppelungen in ihren Listen oder haben schlichtweg das Gebot der paritätischen Besetzung ihrer Liste missachtet. Für eine Kandidatur brauchte es eine Mindestzahl von Unterschriften von Parrains, also potenziellen Wähler.
Die Nichtzulassung von YAW hat zu Demonstrationen in den großen Städten des Landes geführt, vor allem unter jungen Menschen in der Hauptstadt Dakar. Sie empfinden die Entscheidung als willkürlich und parteiisch, um die wichtigste Opposition aus dem Rennen um die Parlamentssitze zu nehmen. »Das ist eine Schande für unsere Demokratie«, sagt etwa der Jurist Abdou Mbaye. De facto würden damit die Spitzenkandidaten um Ousmane Sonko und andere wichtige Oppositionelle von den Wahlen ausgeschlossen. YAW wurde daraufhin beim Verfassungsrat und beim obersten Gerichtshof vorstellig und reichte jeweils Klage auf Aufhebung der genannten Entscheidung ein. Die Klage wurde jedoch beide Male abgewiesen.
Auch einige Kandidaten der weniger wichtigen Stellvertreterliste der Regierungskoalition von Sall, Benno Bok Yakaar, wurden nicht zugelassen, was aber für die Spitzenkandidaten der Regierungskoalition keine Konsequenzen hat. Sie profitieren massiv vom Wahlausschluss der Spitzenkandidaten von YAW. Generell wurde von verschiedenen Seiten Kritik am zu komplexen und zu rigide empfundenen Wahlsystem laut.
Als Reaktion auf die Niederlage vor Gericht rief Sonko am 17. Juni zu landesweiten Protesten auf. Die Behörden blockierten Sonko und den oppositionellen Bürgermeister von Dakar, Barthélémy Dias, zu Hause und untersagten die Proteste. Das hielt die Opposition aber nicht davon ab, dennoch zu demonstrieren. Es kam zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, wie auf Videos und Fotos im Netz zu sehen ist. Drei Jugendliche starben, viele wurden verletzt. Die Opposition sprach von mehr als 200 Festnahmen.
Sonko und seine Verbündeten wollen keineswegs klein beigeben. Sie mobilisieren weiterhin ihre Anhänger, um »gegen diese Ungerechtigkeit anzugehen, die das Regime inszeniert habe, um an der Macht zu bleiben«. Die nächste große »Manifestation« ist für den 29. Juni geplant. Sollte die Kandidatenliste von YAW tatsächlich nicht zugelassen werden, wovon auszugehen ist, kündigt Sonko bereits an, die Parlamentswahl zu verhindern. Dem Senegal stehen weiter unruhige Zeiten bevor.
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