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Nato nimmt sich viel vor

Westliche Militärallianz will um Schweden und Finnland wachsen und gegen Russland und China aufrüsten

Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten haben auf ihrem am Donnerstag beendeten Gipfel in Spaniens Hauptstadt ein neues Grundlagendokument des Militärpakts verabschiedet. Das nach einem Jahrzehnt aktualisierte Strategische Konzept der Allianz soll Krisenprävention und -management, kooperative Sicherheit, Abschreckung und gemeinsame Rundumverteidigung gewährleisten. Den potenziellen Gegner sieht die Nato mit Russland an ihrer europäischen Ostflanke. Angesichts des Ukraine-Kriegs hat die Allianz die Russische Föderation als möglichen Partner für eine gemeinsame europäische Sicherheitsordnung aussortiert und kann sich wieder auf ein klares Feindbild stützen. Sie wirft Russland vor, gegen Normen und Grundsätze des friedlichen Zusammenlebens der Völker verstoßen zu haben. Der Ukraine sagte die Nato unbefristet weitere Unterstützung im Krieg gegen Russland zu.

Die Fähigkeiten zum wechselseitigen Beistand nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags – dem Bündnisfall – und im strategischen Wettbewerb der globalen Mächte sollen in den kommenden Jahren erheblich verstärkt werden. Neben dem euro-atlantischen Raum nimmt die Allianz dabei insbesondere den indopazifischen in den Blick, wo China wirtschaftlich und militärisch den globalen Führungsanspruch der USA infrage stellt.

Konkret bedeutet das die Anschaffung der dafür nötigen Hardware und eine umfassende Erweiterung von militärischer Schlagkraft und Know-How. Für die Rüstungsindustrien bricht ein goldenes Zeitalter an. Die schnelle Eingreiftruppe der Nato (NRF) soll von aktuell etwa 40 000 Soldaten zu einer gewaltigen, kriegstüchtigen Streitmacht mit 300 000 Köpfen anwachsen. Außerdem werden mehr Truppen und schwere Waffen kurzfristig vor allem ins Baltikum und nach Polen verlegt. Einen großen Beitrag zum NRF-Kontingent, das in kurzer Frist an jede Front marschieren kann, wird Deutschland leisten. Mit ihrem 100-Milliarden-Euro-Rüstungspaket hat die Bundesrepublik den Anspruch untermauert, künftig als Europas militärische Führungsmacht Nummer eins aufzutreten. Die mit der Rüstungslobby gut vernetzte Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sieht in der erhöhten Bereitschaft der Nato eine »richtige Reaktion«. Deutschland stehe vor einer »gigantischen Herausforderung«. »Es wird eine gemeinsame Aufgabe der Politik, der Bundeswehr und der Industrie sein, die Vorgabe der Nato zu erfüllen«, erklärte sie.

Beschlossene Sache ist die Aufnahme von Schweden und Finnland in die US-geführte Allianz. Unmittelbar vor dem Madrider Gipfel hatten die Verhandlungen der beiden beitrittswilligen Staaten mit der Türkei mit einer Übereinkunft geendet. Für die Rücknahme ihrer Veto-Drohung machten Stockholm und Helsinki der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan politische Zugeständnisse. Sie heben ihr Waffenembargo gegen das Erdoğan-Regime auf und beteiligen sich an der von Ankara geforderten Kriminalisierung der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG, die den sogenannten Islamischen Staat zurückgedrängt haben und dabei vom Westen unterstützt wurden.

Den Kurden in Vorderasien kein nationales Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen, bleibt jedoch Nato-Standard. Für eine neue Offensive gegen kurdische Gebiete in Nordsyrien hat die Türkei freie Hand. Und obwohl sie im Streit um Territorien und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer dem Nato-Partner Griechenland immer deutlicher droht, zeigt sich Washington nach dem Deal zur Nato-Norderweiterung nun bereit, der Türkei ihren Wunsch nach Modernisierung ihrer F-16-Kampfjets aus US-Produktion zu erfüllen, wie während des Nato-Gipfels erklärt wurde.

Am Dienstag will der Nordatlantikpakt die politisch fixierte Aufnahme von Finnland und Schweden auch formell beschließen. Dann sollten Vertreter der 30 Alliierten in Anwesenheit der Außenminister Finnlands und Schwedens die sogenannten Beitrittsprotokolle unterzeichnen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag nach dem Gipfel in Madrid. Die Beitrittsprotokolle müssen noch von den Parlamenten aller Nato-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

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