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- »Werbepause – The Art of Subvertising«
Gefürchtete Subversion
Die Berliner Ausstellung »Werbepause – The Art of Subvertising« zeigt, wie Guerilla-Künstler Werbungen umgestalteten
Passend zur beginnenden Feriensaison sind in Berlin Plakate mit der Überschrift »Ruinair« zu sehen. Sie sind im Grafikstil der Werbung der Fluggesellschaft Ryanair gestaltet. Offeriert werden »niedrige Flugpreise zu Plastikinseln«. Im Hintergrund sind Plastikabfälle im Meer zu sehen, das angepriesene Reiseziel ist der große Plastikmüllstrudel im Pazifik. Die Plakate, die der Straßenkünstler Hogre entwarf, hängen selbstverständlich nicht am Berliner Flughafen, sondern in einer anderen öffentlichen Einrichtung der Stadt, dem wesentlich kostengünstiger betriebenen Kunstraum Kreuzberg/Bethanien. In der früheren Besetzerhochburg, die weiterhin ein Kunstzentrum beherbergt, wird die Ausstellung »Werbepause – The Art of Subvertising« gezeigt. Sie versammelt zahlreiche Beispiele für das sogenannte Subvertising, also das subversive Verändern von Werbebotschaften.
Eindrucksvolle Klassiker sind zu sehen wie etwa der Spruch »Ich vermisse meine Lunge, Bob«, der in großen Lettern auf dem Bild zweier in den Abendhimmel der Prärie reitenden Cowboys prangt. Schöner ist Tabakwerbung wohl nie unterlaufen worden als in dieser nun schon mehr als 20 Jahre alten Satire auf die Wilder-Westen-Werbungen für Marlboro-Zigaretten.
Angriffsziele der Werbeguerilla sind häufig Großkonzerne. Neben Philip Morris International (Marlboro) und Ryanair bekamen auch der deutsche Autobauer VW wegen seines Dieselskandals und die britische Großbank HSBC, die in das umstrittene Fracking-Verfahren zur Erdöl- und Erdgasgewinnung investierte, ihr Fett weg. Ein Plakat der Fluggesellschaft Air France wurde anlässlich der Pariser Klimakonferenz 2021 mit der Aufschrift versehen: »Dem Klimawandel entgegenwirken? Natürlich nicht. Wir sind eine Fluggesellschaft«. Das Plakat war während der Klimakonferenz auch in Paris zu sehen.
Oft versahen Künstler auch Imagekampagnen von Regierungsinstutionen mit anderen Texten. In der Londoner U-Bahn überklebte die Initiative Special Patrol Group Plakate einer Kampagne der britischen Regierung, auf denen die »Greatness« des Inselkönigreichs herausgestellt wurde. »Apartheid is great« stand dann zum Beispiel auf den Regierungsplakaten, was als Kritik der Unterstützung Israels durch die britische Regierung zu verstehen war. In Berlin ergänzte die Gruppe Außenwerbung kunstvoll kapern (AKK) Werbeplakate der Bundesmarine und ergänzte sie um die Sprüche: »Rumballern statt retten! Statt Geflüchtete im Mittelmeer zu retten, rüsten wir auf«. Auch die Truppe an Land wurde mit Hohn bedacht. Auf Bundeswehrplakaten, die für den sogenannten Dienst ohne Waffe warben, wurde der Slogan »Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe« angebracht. Das stieß auf Missfallen bei der Bundeswehr. Eine Hausdurchsuchung bei einer Verdächtigen und Anzeigen wegen Diebstahls und Sachbeschädigung waren die Folgen. Bei der juristisch kaum zu rechtfertigenden Razzia wurde die Frau »auf frischer Tat ertappt«, ihre »Tatwerkzeuge« – vor allem ein Sechskantschlüssel zum Öffnen der Schaukästen – wurden an Ort und Stelle eingezogen. Die Verfahren sind mittlerweile wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.
Die überzogene Reaktion der Staatsmacht darf man allerdings auch als Beleg für den Erfolg von Subvertising werten. Offenbar ist die Angst groß, dass die Zweifel am Militärdienst durch solche Aktionen wachsen könnten.
Die Ausstellung im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien stellt solche Initiativen der Gegenwart auch in einen größeren historischen Kontext. So werden zum Beispiel auch Plakataktionen von Widerstandsgruppen in den Niederlanden, Belgien und Polen während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg vorgestellt. In offiziell klingenden Bekanntmachungen wurden Meldetermine zum Einsatz für Arbeitsdienste in Deutschland damals einfach nach hinten verlegt. Die Werbebotschaft »Geh mit uns nach Deutschland« wurde mit »Geht doch selbst nach Deutschland« übermalt.
Auch das bereits 1964 veröffentlichte Manifest »First Things First« ist zu sehen. Darin forderten Grafikdesigner aus den USA ihre Kollegen auf, die eigenen Fähigkeiten nicht mehr zur Ankurbelung der Konsummaschine, sondern für sinnvollere Kampagnen im sozialen, politischen und kulturellen Feld einzusetzen. Schaut man sich das Arbeitsfeld der Mehrzahl der Grafikdesigner und vor allem die Verteilung der investierten Gelder im Werbemarkt an, entpuppt sich das als frommer Wunsch, dem nur wenige in der Branche folgen (können).
Gerade deshalb sind Initiativen wie die des aus Rom stammenden und mittlerweile in Berlin lebenden Hogre so wichtig. Einen anderen Weg, der weniger auf politischen Aktivismus setzt, sondern mit Wahrnehmungsveränderungen spielt, geht der New Yorker Künstler Jordan Seiler. Er bringt auf Werbetafeln an Bushaltestellen und Metrostationen geometrische Muster an, die das Auge beruhigen und Inseln der Schönheit im grellen Dschungel der Werbebotschaften schaffen.
Sogar Anleitungen zum Aktivismus sind Teil der Ausstellung. Ein Plakat der Initiative Subvertisers for London beschreibt, wie man Werbekästen öffnet und Plakate austauscht. »Werbepause« zeigt ein großes Spektrum von Interventionsmöglichkeiten – eine Ausstellung zum Anschauen und Nachahmen.
»Werbepause – The Art of Subvertising«, bis zum, 21. August, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin
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