»Ein Riss im politischen Patriarchat«

Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía über eine erste Bilanz von Honduras’ Präsidentin Xiomara Castro

  • Martin Reischke
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor sechs Monaten hat Xiomara Castro als erste Präsidentin die Amtsgeschäfte in Honduras übernommen. Was bedeutet ihre Wahl für die Belange der Frauen im Land?

Ihre Wahl ist wie ein Riss im politischen Patriarchat von Honduras. Gleichzeitig zeigen die Daten aber, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, so sind im Parlament von 128 Abgeordneten nur 34 Frauen. Was die Rechte zur sexuellen Selbstbestimmung angeht, so ist etwa der Gebrauch der »Pille danach« in Honduras verboten. Castro könnte dieses Verbot aufheben, was sie nicht getan hat. Stattdessen hat sie das Thema an den Gesundheitsminister delegiert, von dem jeder weiß, dass er sehr konservativ ist.

Interview

Joaquín Mejía ist Menschenrechtsanwalt und Mitarbeiter der jesuitischen Denkfabrik ERIC im honduranischen El Progreso. Er analysiert und kommentiert seit vielen Jahren das politische Geschehen in seiner Heimat. Für »nd« sprach mit ihm Martin Reischke.

Der ehemalige Präsident und Ehemann von Xioamara Castro, Manuel »Mel« Zelaya, ist zum Berater der neuen Regierung ernannt worden. Kann er so seine Regierung weiterführen, die mit dem Militärputsch von 2009 vorzeitig endete?

Ich denke, die Ernennung von Mel Zelaya zum Regierungsberater war ein schwerer Fehler, aber sie zeigt die interne Spaltung der Regierungspartei Libre. Zelaya ist nicht zum Berater ernannt worden, um seine eigene Regierungsarbeit fortzusetzen, sondern als Teilnehmer der Verhandlungen zwischen den Xiomaristas, also den Anhängern der Präsidentin, auf der einen und den Melistas, den Anhängern von Mel Zelaya, auf der anderen Seite.

Eines der ersten Gesetze, die unter der neuen Regierung verabschiedet wurden, war die Amnestie für ehemalige Angestellte und Funktionäre der Regierung Zelaya, von denen einige unter Korruptionsverdacht stehen. Wie passt das zum Antikorruptionsdiskurs der neuen Regierung?

Ursprünglich sollte die Amnestie nur für Menschenrechts- und Umweltaktivisten gelten, die in der Vergangenheit kriminalisiert worden waren, sowie für die, die gegen den Staatsstreich von 2009 und den Wahlbetrug von 2017 protestiert hatten. Aber in letzter Minute wurden auch Angestellte und Funktionäre der Regierung Zelaya, die unter Korruptionsverdacht stehen, in die Amnestie aufgenommen. Da hat das Parlament einen klaren Fehler begangen. Aber wenn die Verfassung schon nicht vom Parlament geschützt wird, dann müssen es eben die Richterinnen und Richter tun – und da stellt sich natürlich die Frage, warum einige von ihnen das nicht gemacht und Personen, die unter Korruptionsverdacht stehen, von ihrer rechtlichen Verantwortung freigesprochen haben.

Immer wieder hat Castro Interesse an der Einrichtung einer Internationalen Kommission zur Bekämpfung der Korruption und Straflosigkeit in Honduras (CICIH) im Auftrag der Uno bekundet. Hat sie wirklich den politischen Willen, um ihren Worten Taten folgen zu lassen?

Ja, diesen politischen Willen gibt es, man kann ihn zum Beispiel an der Ernennung von Edmundo Orellana zum Regierungsberater in Fragen der Transparenz und Korruptionsbekämpfung erkennen. Orellana ist eine sehr integre und unabhängige Figur. Gleichzeitig hat das Parlament der Uferco ihre Unabhängigkeit zurückgegeben, einer Staatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung, die aus einer früheren internationalen Antikorruptionsmission hervorgegangen ist. Und als drittes wurde auch das Gesetz über die Staatsgeheimnisse abgeschafft. Diese Dinge zeigen, dass hier die Voraussetzungen geschaffen werden, damit eine mögliche CICIH Erfolg haben kann.

Viele Familienmitglieder von Xiomara Castro und Mel Zelaya sind Teil der neuen Regierung. Auch das riecht nach Korruption und Nepotismus.

Ich war einer der ersten, die dieses Vorgehen kritisiert haben, aber ich musste akzeptieren, dass es legal ist. Laut der Verfassung hat die Regierung nichts falsch gemacht, auch wenn ich das Verhalten ethisch zweifelhaft finde. Aber ich verstehe die politische Logik dahinter, wenn beispielsweise ein enger Angehöriger der Präsidentin Verteidigungsminister wird, obwohl ihm jegliche politische Erfahrung fehlt. Man braucht dort schließlich jemanden, dem man zu 100 Prozent vertrauen kann, damit es nicht wieder zu einem Militärputsch wie gegen Mel Zelaya kommt.

Die honduranische Justiz hat Expräsident Juan Orlando Hernández an die USA ausgeliefert, ihm wird Drogenschmuggel in großem Stil vorgeworfen. Was bedeutet seine Auslieferung für die organisierte Kriminalität in Honduras?

Das ist ein schwerer Schlag für die organisierte Kriminalität im Land. Und wenn die neue Regierung in der Lage ist, diese Situation zu nutzen, dann sind wirklich nachhaltige Veränderungen möglich. Deshalb gibt es ja auch diese Eile in den Bemühungen, eine CICIH zu installieren. Wir brauchen eine internationale Antikorruptionskommission, weil Honduras alleine mit den kriminellen Strukturen nicht fertig wird, die noch immer das Land kontrollieren.

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