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Auf der Suche nach der Eins

Onom Agemos und Ahmed Ag Kaedys neues Musikalbum »Tartit«

  • Andreas Schnell
  • Lesedauer: 3 Min.

Ahmed Ag Kaedy lebt in Kidal. Wieder, nach Jahren im Exil. Die Region im Nordosten Malis ist seit Jahrzehnten umkämpft, nicht erst seit vor rund zehn Jahren die Tuareg einen eigenen Staat ausriefen und sich dafür mit islamistischen Gruppen verbündeten. Ag Kaedy wurde persönlich bedroht, ging ins benachbarte Niger und zog später in die malische Hauptstadt Bamako. Auch wenn der Aufstand mit französischer Unterstützung niedergeschlagen wurde, machen Dschihadisten bis heute immer wieder mit Anschlägen auf sich aufmerksam. Für den Gitarristen und Sänger Ag Kaedy ist es deshalb heute kaum möglich, seine Familie zu versorgen, wenn er nicht immer wieder für seine Arbeit als Musiker ins mehr als 1500 Kilometer entfernte Bamako oder gar nach Europa und in die USA reist. Ist es da noch ein Wunder, wenn Ag Kaedy eine Diktatur dem dauerhaften Kampf zwischen ethnischen Gruppen vorzieht, wie er in »Tanakra« beschreibt?

Der Song ist auf »Tartit« (Agogo Records) zu hören, dem ersten gemeinsamen Album Ag Kaedy mit der Berliner Jazz-Formation Onom Agemo and The Disco Jumpers. Kennen gelernt haben sich die Musiker, als Ag Kaedy zur Premiere des Films »Mali Blues« (2016) in Deutschland weilte. Er ist einer der vier Protagonist*innen des Films von Lutz Gregor, der zeigt, wie die politischen Verwerfungen im Land nicht zuletzt Musiker treffen. Gemeinsam ging die ungleiche Paarung auf Tournee und nahm eine Single auf. Zuletzt wurde die Zusammenarbeit schwierig – in Mali gab es in den vergangenen zwei Jahren immerhin gleich zwei Militärputsche. Und natürlich war auch der Lockdown nicht sehr hilfreich.

Aus Mitschnitten von der Tournee und vor dem Lockdown entstandenen Studio-Aufnahmen, an denen die Musiker in den vergangenen Jahren weiterarbeiteten, wurde schließlich »Tartit«, das Tuareg-Wort für Einheit. Das ist nicht zuletzt politisch zu verstehen. Schon »Mali Blues« zeigte, wie sich Ag Kaedy und seine malischen Kolleg*innen Fatoumata Diawara, Bassekou Kouyate und Master Soumy mit ihrer Musik auf unterschiedliche Weise für gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Und musikalische Begegnungen, wie die zwischen jungen, weltoffenen europäischen Jazzmusikern und einem um seine Lebensweise ringenden malischen Gitarristen, sind durchaus ein Teil dieses Kampfs. Zu dem auf ihre Weise auch Auseinandersetzungen auf anderen Ebenen gehören: Johannes Schleiermacher, Saxofonist von Onom Agemo und auch bei Bands wie Shake Stew und dem Andromeda Mega Express Orchestra tätig, berichtet von musikalischen Schwierigkeiten zu Beginn der Zusammenarbeit: »Bei den Rhythmen, die wir sonst spielen, wissen wir genau, wo die Eins ist. Bei Ahmed hatten wir teilweise ganz unterschiedliche Auffassungen von seinen Rhythmen, die auch Polyrhythmen sind. Das hat einige Zeit gedauert.« Keyboarder Jörg Hochapfel ergänzt: »Es ist eigentlich auch die falsche Frage, weil es das Konzept so nicht gibt. Zumindest wird es kompliziert, wenn man da mathematisch herangeht.« Wechselseitige Lernprozesse, die auch Ag Kaedy bestätigt, der über seine Musik einmal gesagt haben soll, sie bringe den »Beat der Kamele« zum Tanzen.

Die sechs Stücke auf »Tartit« füllen das poetische Bild mit Sinn. Es ist ein rollender Groove, der durchaus an andere prominente Entwürfe aus der Sahara erinnert, an Bands wie Tinariwen oder Tamikrest. Ein Groove, der das entschlackte Gitarrenspiel Ag Kaedys und dessen melancholischen Gesang ebenso trägt wie die in psychedelischen Farben blühenden Arrangements seiner Mitspieler und viel Raum lässt für Improvisation.

Onom Agemo & Ahmed Ag Kaedy: »Tartit« (Agogo Records)

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