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- Deutsche Wohnen und Vonovia
Vergesellschaftung als Antwort auf die Inflation
Statt im Zuge der Inflation das Einkommen von Mieter*innen zu belasten, sollten die Profite großer Wohnungskonzerne schmelzen
2040 Euro zahlt jede Mieter*in der Deutschen Wohnen pro Jahr durchschnittlich an die Aktionär*innen des Konzerns. Mit den steigenden Energiepreisen können dieses Jahr 410 Euro für höhere Nebenkosten dazukommen, die Mieter*innen komplett tragen sollen. Dabei sollte nicht das Einkommen der Mieter*innen, sondern die Profite der großen Wohnungskonzerne als allererstes schmelzen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnt angesichts der steigenden Energiepreise vor sozialem Unfrieden im Herbst. Die Politik fordert deshalb aktuell viel zum Energiesparen auf, Habeck selbst duscht weniger und Wolfgang Kubicki überwiegend kalt. Mieter*innen der Wohnungsgenossenschaft im sächsischen Dippoldiswalde können sich das nach 21 Uhr nicht mehr aussuchen. Dort ist heißes Wasser nur noch für einige Stunden am Tag verfügbar. Ähnliches planen Vonovia und die Deutsche Wohnen für Mieter*innen ab Herbst: Die Temperaturen in den Mietwohnungen sollen gedeckelt werden, um Gas zu sparen. Beachtlich, dass die Wohnungswirtschaft der einzige Wirtschaftszweig ist, der ganz »kooperativ« Energiesparmaßnahmen vorschlägt – natürlich auf Kosten der Lebensqualität ihrer Mieter*innen.
Vonovia und Co. fürchten, dass sie in Vorkasse für steigende Nebenkosten gehen müssen und Mieter*innen ihre höheren Rechnungen nicht mehr zahlen können. Trotz der aktuellen Wirtschaftskrise wollen die Konzerne mit ihren vorsorglichen Sparmaßnahmen sichern, dass Wohnungen weiterhin hohe Profite an ihre Aktionär*innen ausschütten. Mehr noch: Die Kaltmieten sollen nach dem Wunsch von Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch an die Inflation angepasst werden, obwohl sie in keinem Zusammenhang mit den steigenden Gas-und Lebensmittelpreisen stehen.
Für Mieter*innen mit einem Indexmietvertrag ist dies mehr als nur eine Drohung. Ihre Mietverträge enthalten eine Klausel, mit der die Mieten ganz automatisch an die Inflationsrate angepasst werden. Das empört vor allem deswegen, weil Vonovia auf das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte zurückblickt und höhere Dividenden als jemals zuvor ausschütten wird. Das alte Muster bleibt: Jeder Euro weniger im Portemonnaie der Mieter*innen sind Gewinnausschüttungen der Konzerne.
Könnten Mieter*innen selbst entscheiden, wozu Gewinne genutzt werden, stünden mit Sicherheit Entlastungen für Bewohner*innen höher im Kurs als Dividendenausschüttungen. Deswegen sollte Wohnraum profitorientierter Konzerne schnellstmöglich vergesellschaftet werden und die Profite sollten jetzt der erste politische Hebel sein, um Verbraucher*innen und Mieter*innen zu schützen.
Ein kleines Rechenbeispiel: Ein Abschmelzen der 2.040 Euro Unternehmensprofite pro Jahr pro Wohnung würde die zu erwartenden Nebenkostenerhöhungen komplett abfedern. Und mehr noch: Die dauerhafte Senkung der Mieten wäre eine gerechte Entlastung, insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen, die von aktuell steigenden Preisen besonders hart getroffen sind. Die Politik weigert sich jedoch, dieses Potenzial zu nutzen. Statt Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, versucht sie die Krise allein mit Steuergeldern abzufedern – etwa Härtefallfonds für Mieter*innen oder Projekte mit umstrittener Entlastungswirkung, wie der Tankrabatt. Obwohl solche Maßnahmen Verbraucher*innen kurzfristig entlasten können, haben sie vor allem einen Effekt: Sie sichern die Gewinne der Konzerne durch Steuergelder. Der Kontrast von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket diesen Sommer zeigt bereits, dass Entlastungen aus öffentlicher Hand funktionieren, Kooperationen mit großen oligopolistischen Unternehmen hingegen nicht.
Deswegen ist es zwingend notwendig, dass Wohnraum jetzt vergesellschaftet und damit zurück in die öffentliche Hand gebracht wird. Aktuell beweisen Konzerne einmal mehr, dass sie ihrer Verantwortung für das Grundrecht auf (beheiztes) Wohnen für Mieter*innen nicht gerecht werden können und wollen. Sie fühlen sich auch in Zeiten von Energie-, Klima- und Wirtschaftskrise allein ihren Aktionär*innen verpflichtet. Unser Zuhause ist für sie ein lukratives Geschäftsmodell. In Berlin haben sich deswegen bereits vergangenes Jahr über eine Million Bürger*innen für die Enteignung von großen Wohnungskonzernen ausgesprochen.
Robert Habeck liegt nicht falsch, wenn er sozialen Unfrieden befürchtet. Berliner Mieter*innen sind wütend, die Kosten für die Energiepreisinflation tragen zu sollen. Schon die aktuellen Mietkosten sind für viele Haushalte kaum zu tragen. Die steigenden Preise bedeuten für Normal- und Geringverdiener*innen einen Verlust von Lebensqualität und im kommenden Winter soziale Kälte. Die Profite der Unternehmen von Vonovia, Deutsche Wohnen und Co. wären dagegen das perfekte Wärmekissen.
Karla Hildebrandt und Niklas Döbberling sind aktiv bei »Deutsche Wohnen und Co Enteignen«.
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