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- CSU-Chef Markus Söder
Zurück zur Bierzeltrhetorik
Auf ihrer Sommerklausur stemmt sich die CSU gegen ihren Bedeutungsverlust
Wer verstehen will, welchen Politikstil Markus Söder für die cleverste Art der Kommunikation mit der Bevölkerung hält, braucht nur über längere Zeit die Aktivitäten von Bayerns Ministerpräsident in den sozialen Netzwerken zu verfolgen. Obwohl Bayern auf der politischen Weltbühne eher zur Bedeutungslosigkeit neigt, ließ der CSU-Vorsitzende während des G7-Gipfels Ende Juni in Elmau keine Gelegenheit aus, sich mit den Staatschefs der führenden Industrienationen für Fotos in Szene zu setzen. Vom Eintreffen des US-Präsidenten Joe Biden am Münchner Flughaben ließ Söder via Instagram eine sechsteilige Bilderserie verbreiten, nebst der Bemerkung: »Bayern steht fest zum transatlantischen Bündnis«. Auf dem Rollfeld trat zur Begrüßung des hohen Besuchs eine bayerische Trachtengruppe an – ganz so, als sei der Freistaat und nicht die Bundesrepublik G7-Mitglied. Am Mittwoch und damit einige Wochen nach dem Posieren mit den Mächtigen dieser Erde twitterte Söder, der Bund übernehme nach »intensiven Verhandlungen« nun doch die Hälfte der Gipfelkosten über insgesamt 160 Millionen Euro – da wollte der Ministerpräsident plötzlich doch nicht mehr der Politiker von Weltrang sein, sondern nur noch ein besorgter Landesvater, der das Geld in Bayern zusammenhält.
Söder steckt in einer veritablen Sinnkrise. Erst im Juni hatte er erklärt, 2025 keinen zweiten Versuch zu unternehmen, Kanzlerkandidat der Union zu werden. »Die Sache ist vorbei«, sagte er der »Passauer Neuen Presse«. Vermutlich dürfte der CSU-Vorsitzende seine Chancen analysiert haben. Das Ergebnis: Für den Mittelfranken sähe es nicht gut aus. Alles läuft auf eine Entscheidung zwischen CDU-Parteichef Friedrich Merz und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther hinaus, der nach seinem überdeutlichen Sieg bei der Landtagswahl im Mai vielen in der Union als Hoffnungsträger gilt.
Genau das verkörpert Söder nicht mehr. Zwar gelang es ihm, die für CSU-Verhältnisse katastrophalen 37,2 Prozent bei der Landtagswahl 2018 aus dem Kurzzeitgedächtnis vieler Menschen nicht nur in Bayern zu verdrängen, doch bisher deutet nichts darauf hin, dass es für die Christsozialen 2023 besser läuft. Umfragen für die nächste Landtagswahl sehen die Partei unter 40 Prozent. Für den weiteren Führungsanspruch reichte das, stehen die Grünen als zweitstärkste Kraft doch bei nur 20 Prozent, was für die Öko-Partei dennoch ihr historisch bestes Ergebnis bedeuten würde. Aber wie geht eine CSU mit solchen Zahlen um, die im Freistaat am liebsten wieder mit absoluter Mehrheit regieren möchte?
Als Söder noch Ambitionen für die Bundespolitik hegte, sah es einige Zeit danach aus, als versuche er, auf die Grünen zuzugehen und gab dafür den Erneuerer. Geradezu ikonisch ist ein Foto aus dem Jahr 2019, auf dem der CSU-Chef einen Baum umarmt. In dieser Vor-Corona-Ära thematisierte Söder häufiger ökologische und klimapolitische Themen, auch wenn dies schon damals nicht zu den politischen Realitäten passte. Beim Windkraftausbau etwa gilt Bayern seit jeher als Bremsklotz.
Mit dem Regierungswechsel in Berlin endete für die CSU eine 16-jährige Ära. Statt mit Innenminister Horst Seehofer und Verkehrsminister Andreas Scheuer zwei Kabinettsmitglieder zu stellen, sind die Christsozialen seit Ampel-Antritt in ihrer Bedeutung erheblich geschrumpft und auf dem Boden politischer Tatsachen gelandet: Man ist nicht mehr als oppositionelle Regionalpartei, der überregionale Medien kaum noch zuhören. Zu spüren bekam die CSU dies auf ihrer zweitägigen Sommerklausur im oberfränkischen Kloster Banz, die am Donnerstag endete. Das journalistische Interesse fiel kleiner als in den Vorjahren aus. Politisch bot das Treffen ohnehin keine Überraschung; die CSU-Spitze erzählte nichts, was sie nicht schon teils seit Monaten fordert: Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke, eines davon in Bayern, müssten am Netz bleiben, die Bundeswehr gestärkt werden und überhaupt fahre die Ampel-Regierung das Land gegen die Wand.
Söder versucht einen politischen Spagat: In landespolitischen Fragen gibt er den fürsorglichen Ministerpräsidenten, in der Bundespolitik setzt er hingegen weitestgehend auf größtmögliche Abgrenzung zur Ampel. Seine CSU verschärfte in den vergangenen Monaten ihren Ton, um überhaupt Gehör zu finden. Eine Rhetorik kehrt zurück, die unter einem Vorsitzenden Söder jenseits von Aschermittwochsreden der Vergangenheit anzugehören schien. Als Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vor wenigen Tagen anregte, es brauche eine Debatte, wie viel Wohnfläche auch aus Klimaschutzgründen angemessen sei, echauffierte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt über angeblich »neue Klimasozialismus-Ideen«. Söder behauptete jüngst, die »einzige wahre Gemeinsamkeit der Ampel-Koalition ist ihr Wunsch nach einer Umerziehung der deutschen Bevölkerung« und wende sich damit »gegen die Mehrheit der Normalbürger«. In dem Zusammenhang fiel auch die Behauptung, den Menschen werde es verordnet zu gendern. Eine Wortwahl, für die zuletzt vor allem die AfD bekannt war.
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