Mit Harnstoff, Phosphat und Pottasche

Angesichts der hohen Preise fällt Thailand die hohe Abgängigkeit von Düngemittelimporten auf die Füße

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Zu den vielen ökonomischen Verwerfungen in der Folge des seit nunmehr fünf Monaten andauernden Krieges in der Ukraine gehört, dass die globale Nachfrage nach Reis in diesem Jahr weiter steigen könnte, da auf den Agrarmärkten der Preis insbesondere für Weizen rapide in die Höhe geschossen ist. Auch Thailands Reisbauern hatten sich für 2022 größere Exportchancen für ihre Überschussproduktion ausgerechnet. Doch jetzt droht eine ebenfalls zugespitzte Krise bei der Versorgung mit Dünger zu bezahlbaren Konditionen diese Hoffnungen zu dämpfen.

Gelingt es nicht, das Problem zügig zu lösen, könnten die anstehenden Ernten geringer ausfallen. Dies würde nicht nur die gesteigerten Erwartungen der Produzenten zu erhöhten Absatzchancen im Ausland platzen lassen. Auch eine Verknappung des bisher zumindest nicht unmittelbar im Fokus einer neuen Nahrungsmittel- und Hungerkrise stehenden landwirtschaftlichen Erzeugnisses wäre das Resultat. Da nur drei Länder – neben Thailand das seit einigen Jahren führende Indien sowie Vietnam – in nennenswerter Weise überschüssigen Reis auf dem Weltmarkt verkaufen, sorgen schon gravierende Produktionsverluste bei einem dieser drei traditionell für massive Probleme. Im Falle Thailands geht es aktuell nicht primär um die auch hier üblichen Gefahren durch zu wenige oder zu viele Niederschläge, sondern eben den im Anbau unverzichtbaren Dünger, der knapper und teurer wird.

Die Regierung in Bangkok ist angesichts dessen nicht untätig geblieben. Seit Wochen laufen die Bemühungen, zeitnah rund 800 000 Tonnen Dünger aus Saudi-Arabien zu importieren. Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Medien aus beiden Ländern geht es um 590 000 Tonnen Urea (Harnstoff), 193 000 Tonnen Phosphat und 25 000 Tonnen Pottasche. Die Angaben stammen demnach von Thailands Handelsminister Jurin Laksanawisit, der auch einer der Stellvertreter von Premierminister Prayuth Chan-ocha ist und federführend den Dialog mit der saudischen Seite leitet. Die hatte neben der Saudi Basic Industries Corporation, größter Düngemittelproduzent im Wüstenstaat und schon bisheriger Lieferant, auch zwei weiteren Firmen – Saudi-Arabian Mining und ACO Group – die grundsätzliche Ausfuhrgenehmigung erteilt. Um einige spezielle Fragen des Deals, insbesondere die Preisgestaltung, sollte bei einem Treffen in Riad am 29. Juni sowie beim Besuch einer saudischen Wirtschaftsdelegation in Bangkok Anfang Juli gesprochen werden. Über Ergebnisse dieser Gespräche wurde allerdings nichts öffentlich bekannt.

Der durchschnittliche Jahresverbrauch für Dünger lag in der thailändischen Landwirtschaft zuletzt relativ konstant bei gut fünf Millionen Tonnen. Davon stammen nur etwa acht Prozent aus einheimischer Produktion, das meiste muss importiert werden. Das macht Thailand zum Opfer des massiven Preisanstiegs in diesem Sektor während der vergangenen Monate. Auch deshalb hatte der bilaterale Handel mit Saudi-Arabien schon in den ersten vier Monaten dieses Jahres deutlich zugelegt. Die thailändischen Importe von dort, darunter subsumiert auch Düngemittel, stiegen um stolze 65,5 Prozent. Traditionell besorgt sich Thailand seine Düngemittel in erster Linie aus Russland, den Ländern des Nahen Ostens und aus China. Global hatten die Düngemittelpreise bereits 2021 um rund 80 Prozent zugelegt. Seit Jahresbeginn gingen sie nochmals um etwa 30 Prozent in die Höhe, bevor sie wieder fielen.

Die thailändische Politik ist derzeit bemüht, den Bauern durch Vermittlung Ankäufe zu noch guten Konditionen zu ermöglichen. Auch sollen vermehrte staatliche Kontrollen verhindern, dass die Krise ausgenutzt wird, um einen Reibach zu machen. Laut der Tageszeitung »Bangkok Post« haben die Behörden zwar Mitte März den einheimischen Düngemittelhändlern die Genehmigung zu Preisanhebungen erteilt. Zugleich wurde aber beim Handelsministerium Unterstützung für die verstärkte Überwachung von Abgabe und Preisgestaltung eingefordert, um Wucherpreise unterbinden zu können.

Thailands Düngerverbrauch hat sich im vergangenen halben Jahrhundert massiv erhöht. Noch in den 1970er und 1980er Jahren kamen die Bauern mit einer bis anderthalb Millionen Tonnen im Jahr aus. In den 1990ern schwankte die Menge bereits zwischen drei und vier Millionen Tonnen, um sich in den letzten zwölf Jahren oberhalb der Marke von fünf Millionen einzupendeln. Und während die bestellte Fläche nur unwesentlich wuchs, wurde die deutliche Zunahme an Düngemitteleinsatz zur Voraussetzung, um die Ernteerträge der Reisproduktion zu erhöhen. Mit den chemischen Hilfsmitteln waren bessere Ernten zu erzielen. Da die Suche nach Alternativen ausblieb, muss tendenziell immer mehr gedüngt werden, um dieses Niveau zu halten.

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