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Hausmeister für Görli und Co
Die Finanzierung derjenigen, die die Parks in Ordnung halten, steht auf der Kippe
Dimitri Christovasilis und seine Kollegen hantieren mit einem engmaschigen Kaninchendraht, wickeln ihn beidseitig um die weit auseinanderstehenden Zaunpfähle, die den Rudolfplatz in Friedrichshain umgeben, und befestigen ihn vorsichtig. Der Grund: Direkt am Zaun steht eine Tischtennisplatte, ständig sind die Bälle der Spieler*innen durch den Zaun geflogen. Der Kaninchendraht dürfte sie jetzt aufhalten.
Christovasilis und seine Kollegen sind sogenannte Kiezhausmeister im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, das heißt, »sie machen das, was Hausmeister tun«, also Dinge reparieren, Sticker und Graffiti entfernen, aufräumen, nur eben im Kiez und nicht im Haus, erklärt Roland Schmidt, Fachbereichsleiter Öffentlicher Raum des Bezirksamts, gegenüber »nd«. Der Begriff sei vom Nachbarbezirk Neukölln abgeschaut. Auch wenn die dortigen Kiezhausmeister eher soziale Arbeit verrichten und die hiesigen handwerklich aktiv sind, habe man den Namen sehr passend gefunden.
Seit einem Jahr gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg sieben Kiezhausmeister, die jeweils mit Fahrrädern inklusive riesigen Anhängern in den verschiedenen Gegenden unterwegs sind. In den Anhängern ist alles drin, was man zum Reparieren und Saubermachen braucht: unter anderem Werkzeug, Besen, Müllbeutel, eine Leiter. Auch die zuständige Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne) kommt zur Bilanz des ersten abgeschlossenen Projektjahrs an diesem Donnerstag mit dem Rad zum Rudolfplatz, allerdings ohne Anhänger.
Insgesamt hätten die Kiezhausmeister unter anderem über 200 Bänke repariert, 33 Bänke ausgetauscht, 310 Grünanlagenschilder neu beklebt, über 100 Schrottfahrräder entfernt, 30 Liter Graffitientferner verbraucht, 157 Bäume aufgeastet und unzählige Gefahrenstellen wie Scherben oder offene Stromkästen beseitigt. Wegen der Lastenräder sei das Projekt außerdem mit dem diesjährigen Engagementpreis »Fahrrad Berlin« der Senatsmobilitätsverwaltung ausgezeichnet worden. Also »ein sehr erfolgreiches Projekt, auch das Feedback der Menschen vor Ort ist überwiegend positiv«, sagt Annika Gerold.
Trotzdem ist die Finanzierung nicht dauerhaft gesichert. Bislang gibt es Geld im Rahmen des Senatsprojekts »Saubere Stadt«, das jedoch nicht langfristig garantiert sei, sondern nur bis Ende dieses Jahres. Da die Kiezhausmeister zum Parkraummanagement gehören, könne auch etwas Geld aus diesem Bereich genommen werden, sodass das Projekt vielleicht noch bis Anfang 2023 weiterlaufen kann. Außerdem arbeite der Bezirk mit der Stiftung SPI (Sozialpädagogisches Institut Berlin) zusammen, die formal Arbeitgeberin der Kiezhausmeister ist. »Wir hangeln uns von Unsicherheit zu Unsicherheit, daher brauchen wir dringend eine gesicherte Finanzierung«, erklärt Gerold. Insgesamt seien 400 000 Euro im Jahr für die sieben Kiezhausmeister nötig.
Darauf hofft auch Dimitri Christovasilis. Er ist für den Bereich des Görlitzer Parks zuständig, und ihm gefällt der Job, »wegen der Vielseitigkeit und weil man draußen an der frischen Luft unterwegs ist«, sagt er. Zu Beginn seines Arbeitstages holt er das Lastenfahrrad in Friedrichshain ab, tourt damit eine erste Runde durch den Görli und schaut, was so anfällt: Wo liegt Müll herum, wo gibt es Gefahrenquellen, wo kleben schon wieder Sticker auf einem Schild? Manchmal gebe es auch einen konkreten Auftrag des Bezirksamts. Neulich habe er zum Beispiel 18 Parkbänke im Görli neu montiert. Ein anderes Mal ist auch Teamwork aller Kiezhausmeister gefragt, zum Beispiel bei der Entfernung von Ästen an Urban- und Gneisenaustraße, die in den Fahrradweg hineinragten.
Dem Görlitzer Park fühlt Christovasilis sich auch persönlich verbunden, seit zwölf Jahren lebt er in der Nähe. »Es sind immer viele bunte Leute unterwegs, es gibt immer Musik, Menschen machen Spiele wie zum Beispiel Frisbee und jeder kann mitmachen«, so beschreibt der Kiezhausmeister seinen Arbeitsort. Oft komme er mit Leuten ins Gespräch, die zum Beispiel von seinem Fahrradanhänger beeindruckt sind.
Es sind nicht nur Klimaschutzgründe, warum die Kiezhausmeister mit Fahrrädern unterwegs sind. »Sie sind langsamer, sehen dadurch mehr, hören und riechen auch die Umgebung, können schneller anhalten und müssen keinen Parkplatz suchen«, so fasst Roland Schmidt vom Bezirksamt die Vorteile der Lastenräder zusammen.
Dimitri Christovasilis ist sicher, dass er und seine Kollegen einen guten Job machen und gebraucht werden. »Wer soll denn sonst die ganze Arbeit machen?«, fragt er mit Blick auf die unsichere Finanzierung.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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