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- Gedenktag an ermordete Sinti und Roma
Antiziganismus und Holocaust: Aus der Geschichte lernen
Viele Sinti und Roma bleiben auch heute noch ausgegrenzt - trotz großer Bemühungen auch der Bundesregierung
Am 2. August jährt sich der Europäische Holocaust-Gedenktag für die europäischen Sinti und Roma, die Opfer des Völkermordes in der Zeit des Nationalsozialismus wurden. Vor achtundsiebzig Jahren wurde das »Zigeunerlager« im Konzentrationslager Ausschwitz-Birkenau aufgelöst. Etwa 4300 Sinti und Roma, vorwiegend Kinder, Frauen und Alte, wurden daraufhin von der SS in den Gaskammern ermordet. Insgesamt wurden 500 000 Sinti und Roma Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungsregimes.
Der Grünen-Politiker Romeo Franz sitzt als erster deutscher Sinto im Europäischen Parlament.
Dieser Tag ist für mich immer ein sehr schmerzlicher. Auch ich habe Verwandte im Holocaust verloren. Die Geschichten der Überlebenden in unserer Familie sind so eindringlich, so verstörend, dass der Völkermord Teil unserer, meiner Identität geworden ist. Wir nennen den Genozid in unserer Sprache »Manuschenge Marepen« was auf Romanes »Völkermord« bedeutet.
Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an diese Geschehnisse aufrechtzuerhalten und an die Opfer zu erinnern, heute und in der Zukunft. Ich muss an dieser Stelle erwähnen, dass die Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang die Verfolgung und den Genozid an dieser ethnischen Minderheit geleugnet hat. Erst Anfang der achtziger Jahre und durch massiven Druck seitens der Minderheit und von Überlebenden wurde der Völkermord von der Bundesregierung anerkannt. Das war ein langer und teils unwürdiger Prozess. Weitere zwanzig Jahre mussten vergehen, bis endlich eine Einigung gefunden wurde, ein Denkmal für alle ermordeten Menschen mit Romanes-Hintergrund in Europa zu errichten.
Den Auftrag der Bundesregierung bekam der international anerkannte Künstler Dani Karavan. Ich war selbst bei der feierlichen Eröffnung des Denkmals im Oktober 2012 dabei und hatte die Ehre, die Melodie für das Mahnmal zu komponieren, die als ein Teil des Denkmals zu hören ist. Es war ein bewegender und für mich unvergesslicher Moment.
Und auch eine Art Zäsur, dass ich mein bürgerliches Engagement zu einer politischen Arbeit umwandeln wollte. Denn trotz der Anerkennung des Völkermords bestand die Ausgrenzung und Diskriminierung dieser ethnischen Minderheit in der Bundesrepublik und in Europa fort. Dieser Ungerechtigkeit, die ich selbst am eigenen Leibe erleben musste, wollte ich entgegentreten, auch politisch. Denn eine tatsächliche Veränderung muss von politischen Akteuren vorangetrieben werden, von demokratischen Kräften. Die Geschichte kann sich wiederholen. Und sie tut es auch heute: Wir sind Zeugen eines Angriffskrieges in Europa. Es ist nicht nur erschütternd, es fordert unsere Wertegemeinschaft heraus – jeden einzelnen. Umso wichtiger ist daher die Stärkung der Gesellschaft und ihrer Resilienz gegen destruktive, antidemokratische Einflüsse. Dazu gehört auch der Widerstand gegen jegliche Form von Rassismus, auch gegen den Antiziganismus in Deutschland und in ganz Europa.
Der Antiziganismus ist facettenreich, er gestaltet sich unterschiedlich in den verschiedenen europäischen Ländern, hat aber letztendlich die gleichen Muster und Konsequenzen für die Menschen: Sie werden in den wesentlichen Lebensbereichen wie Wohnen, Bildung, Arbeit und gesundheitliche Versorgung nicht gleichberechtigt behandelt oder sogar gänzlich ausgeschlossen. Selbst in Zeiten des Krieges gibt es Ungleichbehandlung von fliehenden Menschen. Ich habe mit vielen Betroffenen gesprochen, die Antiziganismus auf ihrer Flucht erfahren haben; sie wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit am Einsteigen in Busse oder Züge gehindert, die sie aus dem Kriegsgebiet fahren sollten.
Antiziganismus ist eine Bedrohung und ich bin dankbar, dass die jetzige Bundesregierung diese Gefahr anerkennt und ihr mit der Schaffung eines Antiziganismusbeauftragen institutionell entgegentreten möchte. Ich hatte die Ehre, Ende Juli mit dem Beauftragten gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, in die Ukraine zu reisen, die Situation der Menschen mit Romanes-Hintergrund vor Ort zu erleben und beim Besuch der Gedenkstädte Babyn Jar in Kiew Holocaust-Überlebende zu treffen. Diese Menschen sind Zeitzeugen und ihre Erlebnisse müssen gehört werden. Viele haben trotz der schrecklichen Ereignisse den Lebensmut nicht verloren und viele streiten immer noch für die Anerkennung des erlebten Leids. In der Ukraine und in Deutschland.
Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten trotz vieler Hürden und Konflikte richtige Schritte unternommen, in der Politik und in der Justiz. Das jüngste Verfahren im Landgericht Neuruppin ist ein positives Beispiel in der rechtsstaatlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in unserem Land. Das Gericht hat mit der Verurteilung des ehemaligen KZ-Wachmanns Josef S. einen bedeutenden Beitrag gegenüber allen Opfern der NS-Verfolgung geleistet. Über Jahrzehnte wurden in Deutschland trotz erdrückender Beweislage Strafverfahren gegen Täter des NS-Regimes nicht konsequent vor Gericht angegangen. Diese rechtliche Aufarbeitung und Verurteilung der Verbrechen und eine Anerkennung des Leids, welches den Opfern zugefügt wurde, ist und bleibt essentiell für die Opfer und den Rechtsfrieden in unserem Land.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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