China warnt Pelosi vor Eskalation

Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses will offenbar am Dienstag nach Taipeh reisen

  • Fabian Kretschmer, Seoul
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntag hob die Boeing endlich aus Honolulu ab. An Bord war neben mehreren Kongressabgeordneten auch die US-Demokratin Nancy Pelosi, die kurz zuvor noch einen offiziellen Terminplan ihrer Asienreise auf Twitter postete: Von Südkorea war dort zu lesen, Japan, Malaysia und Singapur. Taiwan hingegen hat die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses mit keiner Silbe erwähnt. Macht die 82-Jährige also einen Rückzieher?

Nicht unbedingt. »Ich erwarte einen informellen Zwischenstopp in Taiwan«, kommentiert Drew Thompson, ehemaliger Regierungsbeamter des US-Verteidigungsministeriums. Doch zumindest, dass Pelosi den demokratisch regierten Inselstaat auf der offiziellen Agenda verschweigt, ist schon mal ein Punktgewinn für die Parteiführung in Peking, die Taiwan als Teil der Volksrepublik betrachtet. Einen »inoffiziellen Besuch als Privatperson« könnte Peking wohl zähneknirschend akzeptieren.

Wie ernst China die Angelegenheit nimmt, wurde bereits am Samstag deutlich. Die Volksbefreiungsarmee sandte eine bedrohliche Warnung aus, die vor allem an Washington gerichtet war: Entlang der Südwestküste hielt sie mehrere Militärmanöver mit scharfer Munition ab.

Chinas Staatsjournalisten sprachen zudem in den letzten Tagen bereits martialische Drohungen aus. Hu Xijin, ehemaliger Chefredakteur der nationalistischen »Global Times« und hochrangiges Parteimitglied, forderte auf seinem Weibo-Account etwa dazu auf, Pelosis Flugzeug notfalls vom Himmel zu schießen.

In Taiwan selbst verfangen die Drohgebärden kaum. Wer die Abendnachrichten im Lokalfernsehen verfolgt, sieht vor allem Berichte über die derzeitige Hitzewelle und die schwankenden Covid-Zahlen, ein möglicher Besuch von Nancy Pelosi ist eher Randthema.

Dennoch hat sich in Washington zunehmend die Auffassung durchgesetzt, dass die US-Demokratin ihre Unterstützungsaktion im Vorfeld wohl zu wenig gründlich durchdacht hat. Denn der tatsächliche Nutzen einer eher symbolischen Reise wäre höchst marginal, die möglichen Risiken hingegen sind vergleichsweise hoch.

Vor allem aber hat Pelosi Washington nun in ein Dilemma hineinmanövriert, das der US-Regierung nur mehr schlechte Optionen überlässt: Tritt sie ihren Taiwan-Besuch an, wird das die militärischen Spannungen in der Region deutlich erhöhen. Doch bekommt sie auf halber Strecke kalte Füße, signalisiert das den Hardlinern in Peking, dass sich ihre Drohgebärden ausgezahlt haben.

Wie sehr sich die Machtverhältnisse gewandelt haben, zeigt ein Blick ins Archiv: Zuletzt war 1997 mit Newt Grinch ein ähnlich hochrangiges Mitglied der US-Regierung in Taiwan. Der »New York Times« war die Reise lediglich einen Bericht auf Seite 6 wert. Heute dominiert das Thema die US-Medien seit Wochen, und selbst das Militär richtete Präsident Biden aus, dass angesichts der möglichen Eskalation ein Besuch Pelosis in Taiwan »derzeit keine gute Idee« sei.

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