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Nicht explosiv, aber gefährlich
Das Spreewerk gibt die Munitionsentsorgung auf und ist jetzt ein Recyclingbetrieb
Das zu behandelnde Material ist nicht mehr hochexplosiv, die Entsorgung dennoch heikel. Drei Jahrzehnte lang entsorgte das Spreewerk im Wald bei Lübben Munition und Sprengstoff. Das ging nicht immer glimpflich ab. 2002 erschütterte eine schwere Explosion den Betrieb, es starben vier Mitarbeiter. Bei einem weiteren Unfall im Jahr 2018 gab es einen Toten. Arbeitsunfälle kann Geschäftsführer Ramón Kroh für die Zukunft nicht ausschließen. Doch Todesfälle werden bestimmt nicht mehr zu beklagen sein, ist er zuversichtlich. Denn das Spreewerk hat bis Ende vergangenen Jahres die letzten Aufträge zur Munitionsentsorgung abgearbeitet. Es hat jetzt keine einzige Patrone mehr auf Lager und widmet sich stattdessen nur noch dem Recycling von Batterien. Der Probebetrieb dafür läuft bereits seit 2019 und soll im März kommenden Jahres in den Regelbetrieb übergehen.
Benjamin Raschke, Fraktionschef der Grünen im brandenburgischen Landtag, hat sich am Freitag alles angesehen und von Kroh erklären lassen. Zum Schluss fragt er noch, was die Politik für das Unternehmen tun könne. Geschäftsführer Kroh fällt sofort etwas ein: Raschke könne sich doch bei seinem Parteifreund, Umweltminister Axel Vogel, dafür einsetzen, dass der eigentlich im September auslaufende Testbetrieb noch bis März verlängert werde. Bis dahin könnte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Batterierecycling vorliegen, die Voraussetzung für den Regelbetrieb ist. Ohne diese Zwischenlösung hätten die 45 Beschäftigten in der Zwischenzeit nichts zu tun. Kroh fände es schade, wenn er diese Fachkräfte verlöre, von denen dringend noch mehr gebraucht würden. Wenn die Anlagen ertüchtigt sind und alles rund läuft, soll die Belegschaft auf 150 Personen aufgestockt werden. Elektriker und Schlosser werden dafür schon jetzt gesucht. Handwerker sind bekanntlich schwer zu finden.
Das Spreewerk wurde 1957 als Munitionsfabrik gegründet. 1985 war es das modernste Werk in den sozialistischen Staaten Europas. Mit der Wende verlor es seine Funktion. Doch statt Munition zu fabrizieren, entsorgte man fortan Raketen, Granaten und Patronen. Eine Luft-Boden-Rakete französischer Bauart und der Betonabguss einer großen Seemine stehen noch am Verwaltungsgebäude, weil die Stammbelegschaft an dieser Erinnerung hängt. Andere militärische Hinterlassenschaften hat Kroh, der seit anderthalb Jahren Chef ist, abräumen lassen und dem Militärhistorischen Museum in Dresden überlassen. Sie passten nicht mehr zur Neuausrichtung des Betriebs. Die Abwicklung der Nationalen Volksarmee, die Verkleinerung der Bundeswehr und der Abzug der sowjetischen beziehungsweise der russischen Streitkräfte bescherten dem 1992 von der Treuhand privatisierten Spreewerk einst reichlich Aufträge. Doch in dieser Hinsicht gibt es nun immer weniger zu tun – auch wenn Munitionsaltlasten auf ehemaligen Truppenübungsplätzen wegen der Waldbrände gegenwärtig in aller Munde sind. Alte Munitionsbestände werden – so bitter das ist – nicht mehr abgerüstet, sondern in die Ukraine geschickt, in der ein Krieg mit Russland tobt.
Die General-Atomics-Gruppe, zu der das Spreewerk gehört – ein Konzern mit 1200 Mitarbeitern und 200 Millionen Euro Jahresumsatz – begann bereits 2015 nach einem neuen Geschäftsfeld für den Betrieb zu suchen. Es zeigte sich, dass die mit einem dicken Panzerstahlrohr versehene Anlage zum Beseitigen von Sprengstoff auch dazu geeignet ist, die Batterien von beispielsweise Elektroautos, Elektrofahrrädern und Mobiltelefonen thermisch zu behandeln. Das habe das Landesumweltamt dem Betrieb bereits bestätigt, berichtet Geschäftsführer Kroh. Nur die Öffnung des Ofens könnte größer sein und eine so starke Panzerung sei nicht mehr erforderlich. Schließlich können die alten Batterien nicht explodieren. Entsprechend soll die Anlage noch umgerüstet werden, was ihre Kapazität erhöhen würde. Im jetzigen Zustand können pro Jahr aus 5000 bis 6000 Tonnen alter Batterien 2000 bis 2500 Tonnen Rohstoffe gewonnen werden. Nachdem das Material im Ofen gewesen ist, kommt es in den Schredder. Dabei trennen sich Metalle wie Aluminium und Kupfer, die zum Schrotthändler gehen, von wertvollen Stoffen wie Nickel, Mangan und Kobalt. Ein Gläschen voll sei schätzungsweise 50 Euro wert, sagt Kroh. Die Stoffe sind aber nach dem Schreddern noch vermischt. Sie fein säuberlich voneinander zu trennen, ist dann eine Aufgabe für die Chemieindustrie, an die das Spreewerk das Material zum weiteren Recycling übergibt. »Das können wir hier nicht«, sagt Kroh.
Nach Angaben des Geschäftsführers fallen deutschlandweit jetzt schon jährlich etwa 30 000 bis 50 000 Tonnen Altbatterien aller Art an. »Das wird rasant ansteigen«, erwartet er mit Blick auf die Zunahme der Zahl von Elektrofahrzeugen. Das Spreewerk befasst sich bereits mit den Batterien verschiedener Fahrzeughersteller. Die Marken sollen nicht genannt werden. Es sind sehr bekannte Namen. »Es ist im Moment relativ einfach für uns«, erklärt Kroh. »Wir müssen kein Marketing machen. Der Bedarf ist vorhanden.« Ein Hindernis ist noch, dass für das 187 Hektar große Betriebsgelände ein Bebauungsplan fehlt. Obwohl es die Fabrik mit etlichen Gebäuden seit 1957 gab, ist hier offiziell alles Wald. Die Aufstellung des Bebauungsplans für ein 30 Hektar umfassendes Sondergebiet läuft. Gerade endete die Phase der öffentlichen Auslegung. Vorsorglich sichert sich das Spreewerk dabei die Möglichkeit, fünf Prozent mehr Flächen zu versiegeln als bislang. Tatsächlich aber werde man sogar noch Flächen entsiegeln, versichert Kroh. So viele Parkplätze, wie vor dem Werkstor und auf dem Gelände vorhanden seien, benötige man nicht. Der ehemalige Betriebskindergarten bleibt. Dort leben jetzt Fledermäuse und Wiedehopfe, für sie wird das Quartier erhalten.
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