Ungewollte Spannung beim Rundfunk

RBB-Intendantin Patricia Schlesinger steht weiter unter Druck

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303 000 Euro im Jahr und ein teurer Dienstwagen mit Massagesitzen, der eigentlich 145 000 Euro kostet. Dazu neun Einladungen an drei bis elf Gäste zum Essen in ihre Privatwohnung, abgerechnet als Spesen beim Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Das wird RBB-Intendantin Patricia Schlesinger vorgeworfen. Außerdem stehen fragwürdige Beraterverträge und ein laxer Umgang mit den Regeln zur Kollision privater und beruflicher Interessen in der Kritik. Dabei predigt Schlesinger den festen und freien Mitarbeitern des Senders seit Jahren, dass gespart werden müsse.

Die Rechtsanwaltskanzlei Lutz/Abel hat den Auftrag, die Vorwürfe aufzuklären. Die Juristen sollen insbesondere das Verhalten der Intendantin Schlesinger und des Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf prüfen und bewerten. Die Sichtung der Unterlagen habe begonnen und werde wohl sechs bis acht Wochen dauern, hatte der RBB am 1. August mitgeteilt. Zwischenstände werde man nicht mitteilen.

Wolf-Dieter Wolf lässt sein Amt ruhen, der RBB hat am 4. August den turnusmäßigen Vorsitz der ARD abgegeben. »Die öffentliche Diskussion um in meinen Verantwortungsbereich fallende Entscheidungen und Abläufe im RBB berührt inzwischen auch die Belange der ARD«, hat Schlesinger dazu erklärt. »Die Geschäftsleitung des RBB und ich sehen unsere Hauptaufgabe jetzt darin, zur Aufklärung dieser Vorwürfe beizutragen und unser Hauptaugenmerk auf den RBB zu richten.«

Das hat Schlesinger aber keine Luft verschafft. Im Gegenteil: Aus der brandenburgischen Politik kamen postwendend Forderungen an Schlesinger, sich nun auch als RBB-Intendantin zurückzuziehen.

»Der erste Rücktritt von Patricia Schlesinger war unvermeidlich«, urteilte der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke). »Doch das wird nicht reichen, denn auch als Intendantin des RBB steht sie in der Verantwortung, insbesondere für das schlechte Krisenmanagement der letzten Tage und die schleppende Aufklärung der Vorwürfe. Das kostet mit jedem Tag den Sender weitere journalistische Glaubwürdigkeit. Deshalb darf es keinen Rücktritt auf Raten geben, sondern braucht konseqentes Handeln.« Domres fragte am Freitag: »Die Gründe für den Rückzug aus dem ARD-Vorsitz gelten doch auch für den Posten der Indendantin – oder etwa nicht?« Er forderte Schlesinger auf, sich nicht an ihren Sessel zu klammern und ihren Posten aufzugeben. Nur so sei der notwendige Neustart möglich. Die Anwaltskanzlei müsste zeitnah Ermittlungsergebnisse vorlegen, damit die Senderspitze Konsequenzen ziehen könne »und die vielen engagierten Mitarbeitenden endlich ohne unnötige Störgeräusche ihre Arbeit machen können«, meinte der Abgeordnete.

Ähnlich äußerte sich Péter Vida, Fraktionschef der Freien Wähler. Er begrüßte den Rückzug Schlesingers vom ARD-Vorsitz als ersten notwendigen Schritt, das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederherzustellen, und sagte zugleich, angesichts der Faktenlage halte er es für den nächsten notwendigen Schritt, auch das Amt im RBB niederzulegen, so Vida. »Die Vorwürfe gegen Patricia Schlesinger wiegen schwer«, meinte auch Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Der RBB habe durch die Diskussion bereits schweren Schaden genommen. »Wenn Patricia Schlesinger weiteren Schaden vom RBB abwenden will, dann muss nun der nächste Schritt folgen: der Rücktritt vom Amt der Intendantin.« Nachdem Schlesinger am 19. Juli einer Sondersitzung des Hauptausschusses im Landtag ferngeblieben und ein Fragenkatalog der Staatskanzlei mehr als dürftig beantwortet worden sei, »sind die Vorwürfe gegen Schlesinger bislang leider nicht ausgeräumt«, hielt Budke fest. »Eine Intendantin steht in großer Verantwortung, Transparenz über die Verwendung der Mittel herzustellen.«

Noch vergleichsweise zurückhaltend äußerte sich da Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands. »Es ist richtig, dass Frau Schlesinger Schaden von der ARD abwendet«, sagte er zunächst einmal. Das ändere aber nichts an der Notwendigkeit, »die gegen sie erhobenen Vorwürfe lückenlos aufzuklären«. Davon hänge ab, ob sie weiterhin an der Spitze des RBB stehen könne. Die Journalistinnen und Journalisten bräuchten eine Führungsfigur, »die sich auf die Zukunftssicherung der Rundfunkanstalten im Mediengeschäft konzentrieren kann und sich nicht dauernd mit Vorwürfen über die eigene Amtsführung auseinandersetzen muss«.

Die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde auf extreme Weise belastet, erklärte Frank Wolf, Landesbezirksleiter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. »Besonders die festen und freien RBB-Beschäftigten sind massiv davon betroffen, kämpfen sie doch seit zwei Jahren um einen angemessenen Bestandsschutz und angemessene Bezahlung und gegen die Kürzungen im Programm.« Gewerkschafter Wolf nennt es »vollkommen inakzeptabel«, dass der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der landeseigenen Messe Berlin GmbH ist. »Diese Konstellationen sind prädestiniert für Machtmissbrauch.« So etwas dürfte es in Zukunft nie wieder geben.

Die Gewerkschaft kritisiert, im Gegensatz zum Brandenburger Landtag – dort soll es voraussichtlich am 16. August eine weitere Sondersitzung des Hauptausschusses geben – sei das Berliner Abgeordnetenhaus auf Tauchstation gegangen. Am vergangenen Dienstag hatte sich als erster Abgeordneter lediglich Alexander King von der Linksfraktion zu Wort gemeldet, und auch jetzt ist von anderen nicht viel zu hören.

Zu wenig erfahre man bislang über die Gründe für die Kostenexplosion beim inzwischen auf Eis gelegten Digitalen Medienhaus (DMH) des RBB, hatte King gerügt. Preissteigerungen seien in diesen Zeiten einzukalkulieren. Aber ein Sprung von 63 auf 185 Millionen Euro in kürzester Zeit sei »erklärungsbedürftig – umso mehr, wenn Vorwürfe der Vetternwirtschaft rund um den scheidenden Messechef Wolf im Raum stehen«. Interessant sei nicht nur die Frage, wie Beraterverträge zustande gekommen sind. Genauso interessant wäre es zu wissen, worin die Leistungen bei diesem offenbar aus dem Ruder gelaufenen Planungsprozess bestanden und bestehen. »Dass Patricia Schlesinger zwar die durchschnittliche Höhe des Verzehrs ihrer häuslichen Gäste auf den Cent genau angeben kann, aber weiter verschweigt, wer an diesen Abendessen eigentlich teilgenommen hat, ist ein weiteres Ärgernis und wird vor keinem Gericht Bestand haben«, urteilt der Politiker. »Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist der Öffentlichkeit auf Euro und Cent rechenschaftspflichtig.«

Im Unterschied zu seinem Brandenburger Parteifreund Thomas Domres hat Alexander King bislang keine Rücktrittsforderung an Schlesinger erhoben. »Ich glaube aber persönlich nicht, dass sie sich wird halten können«, bekräftigt King am Sonntag gegenüber »nd«. Etwas anderes wäre den Beitragszahlern nicht zu vermitteln. 55,08 Euro sind vierteljährlich zu entrichten. Für manche Berliner sei das eine Summe, die sie nicht leicht zahlen können, sagt King. Und dann läsen sie, dass die RBB-Intendantin einen Dienstwagen mit Massagesitzen benutzt, der regulär 145 000 Euro kostet, auch wenn er günstiger geleast wurde. Zumindest müsste Patricia Schlesinger ihr Amt im Interesse der Aufklärung ruhen lassen, findet King.

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