Kampf um Konnektoren

Streit um neue Technik: Gehen Herstellerinteressen vor die von Ärzten, Patienten und Krankenkassen?

Wer in den letzten Tagen beim Arzt oder Zahnarzt war, konnte eine veränderte Anmeldungsprozedur kennenlernen: Die Gesundheitskarte war zwar nötig – sie wurde aber nicht mit einem Gerät eingelesen, sondern auf A4 kopiert, das Blatt dann mit Datum und der Unterschrift des Patienten versehen. Ein technisches Problem wirft offensichtlich die Praxisorganisation gefühlt um Epochen zurück – und sorgt bereits seit Monaten für schlechte Stimmung besonders seitens der Kassenärzte.

Im Detail geht es um die sogenannten Konnektoren. Mit diesen Geräten, die DSL-Routern ähneln, verbinden sich unter anderem Arztpraxen und Apotheken mit der Telematik-Infrastruktur des Gesundheitswesens. Sie sind die Komponente, mit deren Hilfe Computernetze in den genannten Einrichtungen sicher angebunden werden können. Ein Konnektor ist bislang unverzichtbar, um elektronisch etwa die Versichertenstammdaten zu übermitteln, das eRezept zu erstellen oder Notfalldaten bereitzuhalten. Es geht also um viele Patientendaten. Deshalb sind die Datenschutzanforderungen hoch, die Sicherheits- und Zulassungsvorgaben der hier zuständigen Gematik und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) streng.

Die Gematik wurde 2005 gegründet, um die elektronische Gesundheitskarte und die nötige Infrastruktur voranzubringen und abzusichern. Die GmbH wird bis heute zu 100 Prozent über den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung finanziert, und zwar mit einem Beitrag von einem Euro je Kassenmitglied und Jahr. Bis 2019 hielten Kassenvertreter und Leistungserbringer (Verbände der Ärzte, Krankenhäuser, Rettungsdienste, Therapeuten) jeweils 50 Prozent der Gesellschafteranteile. Sie blockierten sich doch immer wieder gegenseitig: Entscheidungen um kleinste technische Details waren nur schwer möglich, und das bremste den ganzen Prozess hin zu einer funktions- und ausbaufähigen Gesundheitskarte erheblich. Anfang 2019 schlug dann der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, per Gesetzesänderung dem Bund 51 Prozent der Anteile zuzuweisen, um das Verfahren vorantreiben zu können, inklusive einer Beschlussfähigkeit mit einfacher Mehrheit. Die Änderungen traten im Mai 2019 in Kraft, mit eben jenem Terminservicegesetz, dessen Sondervergütungen für Neupatienten jetzt kassiert werden sollen.

Die in den Konnektoren verbauten Sicherheitsmodul-Karten (mit den Verschlüsselungszertifikaten) verlieren jedoch in den ersten ausgelieferten Modellen nach einer maximalen Laufzeit von fünf Jahren im September 2022 ihre Gültigkeit. Hiervon sind 130 000 Geräte betroffen, die in nächster Zeit ausgetauscht werden müssen, mitsamt Praxisausweisen und dem elektronischen Heilberufsausweis. Nicht trivial, weil es um wichtige Dokumente und sensible Technik geht. Allerdings soll die Telematik-Infrastruktur 2.0, die nächste Stufe der Entwicklung, ohne Konnektoren auskommen. Sie ist jedoch noch nicht einsatzbereit, und vor allem deshalb soll es noch einmal neue Konnektoren geben. Verschiedene Berufsverbände, darunter die der Dermatologen, der Kinder- und Jugendärzte sowie der Kiefer- und Gesichtschirurgen, hatten zuletzt ein sofortiges Moratorium der Telematik-Infrastruktur gefordert. Das hatte 2021 auch schon der Deutsche Ärztetag getan, allerdings erfolglos.

Im Februar dieses Jahres beschloss die Gesellschafterversammlung der Gematik den Austausch der Geräte unter der Maßgabe, dass es keine Möglichkeit gebe, einfach nur die Zertifikate zu erneuern. Wer für den Austausch in welcher Höhe die Kosten zu tragen hat, darüber stritt ein Schiedsgericht monatelang. Die Kassen hatten für den Konnektorentausch 400 Millionen Euro eingeplant. Laut Schiedsgerichtsentscheid sollten die Arztpraxen für ihren Aufwand je 2300 Euro Erstattung erhalten. Das wurde aber seitens der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgelehnt, weil der Betrag die Kosten der Praxen nicht decke. Prompt senkte der Hersteller den Preis für den Konnektorentausch auf den genannten Erstattungsbetrag. Zur Zeit sind verschiedene Geräte von drei Herstellern zugelassen, darunter von der Secunet Security Networks AG, einem börsennotierten IT-Unternehmen mit Sitz in Essen.

Seit der letzten Gesellschafterversammlung der Gematik vergangene Woche tauchte beim Kampf um die Konnektoren und ihren Austausch ein neuer Aspekt auf: Es existierten durchaus Standardverfahren, um die Verschlüsselungszertifikate zu verlängern, etwa über eine Software, erklärten IT-Experten im Computermagazin »c’t«. Das soll sogar seitens der Gematik für eine Gesamtlaufzeit von sieben Jahren technisch ermöglicht worden sein. Ein Konnektorenaustausch in diesem Jahr wäre dann nicht nötig. Weitere Alternativen wären neue Zertifikate für die vorhandenen Sicherheitskarten oder ein physischer Austausch der Karten. Die Hersteller hüllen sich bislang zu diesen Möglichkeiten in Schweigen. Bei der Debatte um die von den Herstellern angesetzten Kosten deutete nun auch das Bundesgesundheitsministerium ein Einlenken an: Die Leiterin der dortigen Digitalisierungsabteilung hatte getwittert, dass es einen »Finanzierungsrahmen für Wettbewerb, Qualität und faire Preise« bräuchte.

Ein Beschluss, die Gematik die Situation neu bewerten zu lassen, wie es sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gewünscht hätte, kam nicht zustande. Wegen der Stimmenmehrheit des Gesundheitsministeriums ist naheliegend, dass sich dieses dagegen ausgegesprochen hat. Die Vertreter der Kässenärzte fanden für ihre Kritik starke Worte: Es müsse alles getan werden, das »gigantische Geldvernichtungsprogramm zur Erzeugung von Technikschrott zulasten von Praxen und der Versichertengemeinschaft« zu verhindern.

Immerhin war in der Gesellschafterversammlung der KBV-Antrag auf Prüfung der Alternativen zum Konnektorentausch erfolgreich. Dafür ist jetzt Zeit bis zum nächsten Treffen. Ob betroffene Praxen nun auch unabsehbare Zeit mit den eingangs beschriebenen Alternativtechniken wirtschaften müssen, ist offen.

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