- Politik
- Oksana Pokaltschuk
Patriotismus statt Menschenrechte
Die Leiterin von Amnesty International Ukraine, Oksana Pokaltschuk, hat ihren Posten aufgegeben.
Amnesty International hat der ukrainischen Armee Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Aus Protest gegen den Bericht ist die Leiterin des ukrainischen Ablegers der NGO, Oksana Pokaltschuk, zurückgetreten.
Pokaltschuk wollte immer Juristin werden. Grund sei ihre Familiengeschichte: Der Großvater saß im Gefängnis, weil er sich für eine freie Ukraine einsetze, der Vater Juri wurde als Schriftsteller von der Sowjetmacht verfolgt. Die Ungerechtigkeit, die ihrer Familie widerfahren sei, habe in ihr den Wunsch hervorgerufen, alles selbst zu analysieren und nicht blind zu glauben, was gesprochen oder geschrieben wird, schreibt die 36-Jährige über sich selbst.
Als Juristin wollte sie sich um Menschen kümmern, die in Not geraten sind, und um LGBT in ihrer ukrainischen Heimat. Weil Menschenrechte an ihrer Jura-Akademie nicht gelehrt wurden, las sich Pokaltschuk alles selbst an und schaute sich bei Kolleg*innen im Ausland vieles ab.
Drei Jahre war Pokaltschuk beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, bevor sie zurückging. Schließlich wollte sie »immer in der Ukraine und zum Wohl der Ukraine« arbeiten. Das konnte Pokaltschuk fortan bei Amnesty International und wurde zu einer der einflussreichsten Frauen im Land. Als die Ukraine die Dekommunisierung durchsetzte, unterstützte die Juristin das Vorgehen, kritisierte aber auch zu hartes Vorgehen der Polizei gegen Menschen, die sowjetische Symbole trugen. Jede Regierung muss kritisiert werden, wenn sie Recht bricht, sagte sie 2017.
Den Bericht ihrer Kolleg*innen von Amnesty wollte Pokaltschuk nicht wahrhaben. Stattdessen warf sie ihnen vor, »zu einem Werkzeug russischer Propaganda geworden« zu sein. Aber Menschenrechte stehen über dem »Wohl der Ukraine«. Das gefiel Pokaltschuk nicht, ihr Rücktritt ist nur folgerichtig.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.