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- Manöver in der Ostsee
Wenig Platz für Kreuzfahrten
Die Ostsee ist derzeit mit Militärschiffen vollgestopft
Die »Gorch Fock« ist Anfang der Woche zu ihrer ersten Ausbildungsfahrt aufgebrochen. Erste Station ist der Hafen von Rostock. Dort wird das Segelschulschiff der Deutschen Marine neben der »Dar Mlodziezy« aus Polen der einzige Großsegler sein, mit dem sich die »Hanse Sail« schmücken kann. Andere Schiffe, die die Besucher dieses regelmäßig veranstalteten Windjammertreffens üblicherweise begeistern, bleiben aus. Das gilt für die »Mir« und die »Kruzenshtern« – beide segeln unter der Flagge Russlands – und auch für die Besatzung der ukrainischen »Khersones« verbietet sich angesichts des Angriffskriegs Russlands auf ihr Land jegliches Feste feiern. Die »Gorch Fock« mit rund einhundert Offiziersanwärtern an Bord wird ins polnische Szczecin weiterreisen, bevor sie in der finnischen Hauptstadt Helsinki festmacht. Kommandant, Kapitän zur See Andreas-Peter Graf von Kielmannsegg, sieht das – obgleich sein Kahn gänzlich unbewaffnet ist – als Zeichen der Verbundenheit mit den Bündnispartnern.
Ganz und gar nicht unbewaffnet sind andere Schiffe, die derzeit in der Ostsee kreuzen. Am vergangenen Wochenende hat Russlands Marine vor St. Peterburg mit einer großen Parade den Tag der Seekriegsflotte begangen. Dazu waren knapp 50 Schiffe aller Teilflotten aufgeboten: Fregatten, Landungsschiffe, Raketenkorvetten, modernste atomar betriebene und bewaffnete U-Boote. Rund 50 Flugzeuge und Hubschrauber umrahmten die Zeremonie. Zuvor hatte Präsident Wladimir Putin eine neue Militärdoktrin für die Kriegsmarine des Landes in Kraft gesetzt. Darin werden vor allem die USA und die Nato als Gefahr für Russlands Sicherheit benannt. Putin kündigte zahlreiche Aufrüstungsschritte an.
Die USA rüsten ihre maritimen Streitkräfte nicht minder auf. Vor wenigen Tagen hat die Marineführung einen neuen »Navigationsplan« vorgelegt. Admiral Michael Gilday erklärte, man benötige künftig mehr als 350 bemannte Schiffe, dazu Dutzende von unbemannten Booten und rund 3000 Flugzeuge. Um die Kapazität der Flotte zu erhalten und sie gleichzeitig zu modernisieren, brauche es ein anhaltendes Budgetwachstum, das stets drei bis fünf Prozent über dem Anstieg der Inflation liege.
Der Admiral denkt dabei freilich nicht so sehr an Einsätze in einem europäischen Binnenmeer. Er hat China im Blick und auch neue Ansprüche, die der Westen in der Arktis erhebt. Aktuell jedoch zeigen die USA, gemeinsam mit anderen Nato-Streitkräften, Flagge in der Ostsee, denn: Seit der im vergangenen Jahr über Monate durchgeführten Sammlung russischer Angriffstruppen an den Landgrenzen der Ukraine, die schließlich im Überfall auf das Land mündete, ist man im Westen alarmiert, wenn Putin irgendwo Militär zusammenzieht. Zumal in einer Zeit, in der die bisherigen politisch und militärisch neutralen Ostseeanrainer Finnland und Schweden ihre Mitgliedschaft im Nato-Bündnis beantragt haben. Mit der Aufnahme der beiden Länder ist die Ostsee auf dem besten Weg, ein Nato-Binnenmeer zu werden. Die wenigen Zugänge, die Russland dann noch hat, lassen sich leicht blockieren.
Russlands Präsident bekomme nun »genau das, was er nicht wollte«, erklärte US-Präsident Joe Biden am Montag. Wenn sich nun mit dem Beitritt der beiden skandinavischen Staaten die Anzahl der Nato-Verbündeten auf 32 erhöhe, »werden wir stärker sein als je zuvor«, sagte er und unterzeichnete die US-Ratifizierungsurkunden für den Beitritt. Die USA sind der 23. der insgesamt 30 bisherigen Nato-Mitgliedstaaten, der einer Erweiterung des Bündnisses zustimmt. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat billigten den Schritt bereits Anfang Juli.
Um bis zum endgültigen Beitritt der beiden Nordländer keinerlei Unklarheiten am gemeinsamen Willen der Allianz aufkommen zu lassen, schickten die USA den größten Kampfverband der US Navy seit Ende des Kalten Krieges in die östliche Ostsee. Die »USS Kearsarge«, ein 257-Meter-Kampfschiff für amphibische Operationen mit Hubschraubern, kleineren Landungsbooten sowie knapp 2000 Marines an Bord, machte im Westhafen von Helsinki fest. Vor der Südspitze der Halbinsel Hankoniem sind verschiedene Übungen vor allem mit der Luftwaffe des neuen finnischen Verbündeten geplant. An den Übungen, die Schweden einbeziehen, werden auch die Docklandungsschiffe »USS Arlington« und »USS Gunston Hall« teilnehmen.
Wo sich so viel grauer Stahl sammelt, bleibt für lustig bunte Urlauberschiffe offenbar wenig sicheres Fahrwasser. Aida Cruises stellte den Plan für ihre Ostseetouren im kommenden Jahr spürbar um. Stopps im russischen St. Petersburg wurden gestrichen. Das estnische Tallin sowie Finnlands Hauptstadt Helsinki werden ebenfalls nicht mehr angesteuert.
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