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- SPD und Cum-Ex-Skandal
Wer wird nix verraten? Sozialdemokraten
Christoph Ruf kramt in seinen unguten Erinnerungen an den Hamburger SPD-Politiker Johannes Kahrs
»Ein blinder Kolumnist findet auch mal ein Korn«, dachte ich, als ich vom Geldfund in einer Hamburger Bank las. Ein paar Tage, nachdem ich mich gewundert hatte, wie ungestraft hierzulande Lobbys und korrupte Seilschaften agieren können. 210 000 Euro hatten die Behörden also im Safe eines ehemaligen Bundestagsabgeordneten gefunden, seit Jahrzehnten der Strippenzieher des konservativsten Flügels der SPD. Ein Zusammenhang zwischen dem Geldfund, dem Hamburger Sozi-Kanzler und dessen merkwürdigen Erinnerungslücken im Zusammenhang mit den Steuerschulden der Hamburger Warburg-Bank und dem Cum-Ex-Skandal wurde schnell medial thematisiert. Was ja kein Zufall ist, wenn aus dem Umfeld der Bank schöne Summen ausgerechnet auf dem Konto des Hamburger Ortsverbandes landen, dessen Chef der langjährige Abgeordnete mit den vielen Geldscheinen ist.
Prompt fühlte ich mich an meine Zivi- und Studiumszeit erinnert, die ich fast ausschließlich in Hamburg verbrachte. Dort gingen die Uhren deutlich anders als in der südwestdeutschen Provinz, aus der ich stamme. Nachts um eins wurde man nicht aus der Kneipe geschmissen, da ging man erst hin. Um die Lieblingsbands zu sehen, musste man nur kurz in die U-Bahn steigen. Und als links denkendem Menschen wurde es einem gelegentlich fast langweilig. Man redete zwar ständig über Nazis, kannte persönlich aber keinen. Eigentlich kannte man nicht mal Menschen, die FDP oder CDU wählten.
Das war allerdings nur bedingt ein Beweis dafür, wie fortschrittlich die Hansestadt tickte, denn Menschen, die so dachten wie im Ländle die Durchschnitts-CDU-ler, hatten in Hamburg ihre eigene Partei, die SPD. Was einem bei den Hamburger Mainstream-Jusos, am Wahlkampfstand oder im Rathaus an Sozi-Establishment über den Weg lief, war politisch konservativ bis reaktionär, man kleidete sich auch so. Hinzu kam ein so unbändiger Wille zur schnellstmöglichen Verfilzung, dass einem die CSU plötzlich wie eine halbwegs demokratische Organisation vorkam. Am schlimmsten lief es in Hamburg-Mitte, wo mit St. Pauli der einzige Stadtteil lag, den ich als Lebensmittelpunkt auserkoren hatte.
Da ich während des Studiums schon bescheidene Gehversuche im Journalismus unternommen hatte und bei der »Nord-Taz« in der Chemnitzstraße immer recht offen über den neuesten Sozi-Tratsch geredet wurde, war ich auf dem Laufenden. Am schlimmsten trieb es demnach bei den Spezial-Demokraten ein aufstrebender Endzwanziger, über den es nicht nur allerlei ehrenrühriges, aber schwer beweisbares Gerede gab, das fraglos alles stimmte. Einmal ließ sich der maximal skrupellose Mann dann nämlich doch beim Intrigieren erwischen. Es ging um den Juso-Vorsitz, und eine 22-jährige Frau hatte gute Chancen, gewählt zu werden. Das wiederum wollte unser Mann unbedingt verhindern, und da das mit redlichen Mitteln nicht gelingen wollte, rief er immer wieder anonym mitten in der Nacht bei ihr an und beleidigte sie obszön. Bis er beim x-ten Anruf in eine Fangschaltung der Polizei geriet.
Wer nun dachte, dass damit die Karriere des aufstrebenden Jungpolitikers beendet war, kannte die Hamburger SPD nicht. Der Mann wurde natürlich Juso-Vorsitzender und dann jahrzehntelang Platzhirsch im wichtigen Bezirk Hamburg-Mitte. Ein Kollege von mir, der ihn aus dem Studium kannte und bis dato noch nie etwas anderes als SPD gewählt hatte, gab von nun an bei Bundestagswahlen seine Erststimme der CDU-Kandidatin: »Wer den Mann kennt, weiß warum.« Da wusste er noch nicht, dass unser Charakter-Totalschaden später auch dadurch bekannt wurde, dass er einer Burschenschaft angehört, Connections nach Aserbaidschan unterhält und als Rüstungslobbyist unterwegs war. Aus lauter Dankbarkeit spendeten Waffenhersteller wie Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann 2005 insgesamt 60 000 Euro an seinen SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte. Und jetzt haben sie bei Johannes Kahrs also 210 000 Euro im Schließfach gefunden.
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