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  • Nationales Sicherheitsgesetz

Hongkong schrumpft im Eiltempo

Das Nationale Sicherheitsgesetz treibt immer mehr kritische Geister aus dem Land

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn John mit Freunden in einem Restaurant sitzt, ist er vorsichtig, was er sagt. »Du weißt nie, ob am Nachbartisch jemand mithört und ob dir das dann zum Verhängnis wird.« Vor kurzem habe der IT-Spezialist so ein Erlebnis gehabt. »Ein Kollege und ich haben uns über die strenge Corona-Politik Hongkongs aufgeregt. Und ein Typ in Hörweite schaute ständig zu uns herüber.« Ob er wirklich mithören konnte, weiß John nicht. Aber schon das Unbehagen, dass dies der Fall sein und schwere Folgen haben könnte, sei ein Problem – und zwar eines, das man in der jüngeren Vergangenheit Hongkongs noch nicht verspürte. »Als ich vor fünf Jahren für meinen Job aus Großbritannien nach Hongkong zog, konnte man seine Meinungen klar äußern. Aber heute könnte alles Mögliche als politisches Statement gelten und angeblich die nationale Sicherheit bedrohen.«

Seit Juli 2020 gilt im einst autonomen Stadtstaat an der Südostküste Festlandchinas das Nationale Sicherheitsgesetz, das für diverse Aktivitäten als Höchststrafe lebenslange Haft vorsieht. Beschlossen wurde das Gesetz nicht etwa in Hongkong, sondern im Volkskongress in der chinesischen Hauptstadt Peking. Dort veränderte man damit nicht nur empfindlich die Lebensrealität vieler Menschen, sondern reklamierte auch für die Zukunft unmissverständlich die Oberhand über das politische Geschehen in Hongkong.

Dieser Tage zeigt sich einmal mehr, wie weitreichend die Folgen sind. Die Bevölkerungsstatistik ergab, dass die »Sonderverwaltungszone Hongkong« einen Einwohnerschwund erleidet. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Bevölkerung von 7,41 auf 7,29 Millionen Menschen. Diese Abnahme von 1,6 Prozent ist die stärkste seit Beginn der Erstellung solcher Statistiken im Jahr 1961. Hongkonger Offizielle erklären dies mit der Pandemie und dem Umstand, dass es in einer alternden Gesellschaft nun einmal vorkomme, dass mehr Menschen sterben als geboren werden.

Kritische Stimmen betonen aber insbesondere in Bezug auf die Pandemie, dass Hongkongs Maßnahmen wesentlich strenger gewesen seien als diejenigen anderswo. Lange Zeit blieb der Flugverkehr unterbrochen, waren die Grenzen streng reguliert. Dies wiederum führen viele Beobachter nicht nur auf die Gefahren von Covid-19 zurück, sondern auch auf die politische Lage in Hongkong: Pandemiepolitik als Mittel zur Kontrolle der Opposition. Entsprechend betonte das kritische Nachrichtenportal Hongkong Free Press dieser Tage: »Während Statistiken, wie etwa die steigende Anzahl von Personen, die sich um ein britisches Visum bewerben, um nach Großbritannien umzusiedeln, auf einen Massenexodus von Hongkongern hinweisen, hat die Regierung das Ausmaß des Phänomens dementiert.« Das Portal weist darauf hin, dass der Bevölkerungsrückgang zwar in der Pandemie begonnen habe, aber eben auch auf massive Proteste gegen ein Auslieferungsgesetz erfolgt sei, das es ermöglichen sollte, Personen, die in Hongkong in Konflikt mit dem Gesetz geraten, für einen Prozess nach Festlandchina auszuliefern. Als ein Jahr später dann das Sicherheitsgesetz verabschiedet wurde, war das Niveau der Freiheit in Hongkong plötzlich noch viel stärker kompromittiert als von Kritikern befürchtet.

Die anfangs friedlichen Proteste gegen das Gesetz wurden seitdem vermehrt unterdrückt. Im Mai veröffentlichte die in der US-Hauptstadt Washington ansässige Nichtregierungsorganisation Hong Kong Democracy Council einen Report, demzufolge Hongkong mehr als 1000 politische Gefangene zählt, während es zu Beginn der Massenproteste im Juni 2019 nur eine Handvoll gewesen seien. Mehr als 10 500 Festnahmen habe es gegeben und fast 3000 Anklagen gegen Aktivisten, Gewerkschafter, Journalisten, Lehrer und Oppositionspolitiker. Hongkong verfalle in »Autoritarismus«.

Während der 99 Jahre als britische Kolonie war Hongkong zwar kaum eine Demokratie, aber es bestanden liberale Rechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Bei der Rückgabe an China 1997 wurde vereinbart, dass der Autonomiestatus über zumindest 50 Jahre bestehen soll. Nur zeigte sich bald, dass Peking wenig Interesse daran hatte, aus Hongkong eine Demokratie werden zu lassen.

Seit das Sicherheitsgesetz mit seinen vagen Eingrenzungen des Erlaubten gilt, erfährt Hongkong auch einen Exodus von Unternehmen. »Asiens globale Stadt« büßt ihren Status auch deshalb ein, weil andere asiatische Metropolen wie Seoul, Tokio oder Taipeh mit Standortpolitik um diverse Betriebe werben. Den Ruf als Ort der Freiheit hat Hongkong wohl verloren.

Das zeigt sich auch daran, wie Menschen mittlerweile über Politik sprechen. Als das Gesetz vor gut zwei Jahren verabschiedet wurde, wurde noch öffentlich darüber gestritten. Als prominente Figuren der Demokratiebewegung ins Gefängnis gehen mussten, schrumpfte bei regierungskritisch eingestellten Personen der Mut, für ihre Meinung mit dem eigenen Namen einzustehen. John, der nur unter der Bedingung der Anonymität spricht, ist zurzeit der Regelfall. Wie lange er noch in Hongkong bleiben wolle, wisse er nicht. Allerdings sei er froh, dass er einen britischen Pass habe.

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