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Empörung und Fakten
Wolfgang Hübner über die Äußerungen des Palästinenser-Präsidenten
Was Palästinenserpräsident Abbas im Kanzleramt sagte, ist sachlich falsch, historisch unsinnig und politisch gefährlich. Den Israelis 50-fachen Holocaust an Palästinensern vorzuwerfen, ist haarsträubend. Auch wenn sich Abbas für diesen schrägen Vergleich entschuldigt hat, bietet er doch einen interessanten Einblick in die Gedankenwelt der palästinensischen Elite.
Aber das schafft ja Fakten nicht aus der Welt, die oft hinter Antisemitismusdebatten zurückgestellt werden. Israel ist im Lauf der Jahrzehnte immer wieder mit Gewalt gegen Palästinenser vorgegangen. Es ist ein fatales Wechselspiel der Gewalt im Nahen Osten. Und Gewalt heißt nicht nur Krieg und bewaffnete Angriffe; Gewalt ist auch der Raub palästinensischen Gebiets, der illegale Bau von immer weiter ausufernden jüdischen Siedlungen.
Man muss allerdings auch fragen – jenseits des unseligen Holocaust-Vergleichs –, warum israelische Gewalt gegenüber Palästinensern in Deutschland, in Europa längst nicht die gleiche Aufmerksamkeit zur Folge hat wie palästinensische Anschläge. Die mediale und politische Widerspiegelung ist von einem krassen Ungleichgewicht geprägt. Damit haben auch merkwürdige Zwischentöne zu tun, die sich in die Empörungswelle mischen. Etwa, wenn der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung meint, Abbas’ absurde Anmerkung lasse jegliche Sensibilität gegenüber Gastgeber Olaf Scholz vermissen. Unsensibel ist Abbas’ Statement gegenüber den Opfern des Holocaust, gegenüber Überlebenden und Hinterbliebenen. Die Deutschen haben immer noch genug zu tun mit eigenem Antisemitismus. Und mit der Aufarbeitung des mörderischen Anschlags auf die Münchner Sommerspiele vor 50 Jahren, der der Ausgangspunkt für Abbas’ Tirade war.
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