Analyse ohne Gewissheit

RKI-Daten zum Impfstatus der Bevölkerung beziehen sich auf weiter abnehmenden Anteil von Covid-Patienten

Mit einer möglichen Corona-Herbstwelle und neuen Impfstoffen stellt sich die Frage, was der letzte Stand in Sachen Impfwirksamkeit ist. Von besonderem Interesse dabei ist der Anteil der Geimpften an den schweren Verläufen und den Covid-Todesfällen. Erstaunlicherweise bestehen die schon Ende 2021 festgestellten Unklarheiten fort.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte Ende April angekündigt, die Themen Impfung und Impfwirksamkeit nicht mehr in den Wochenberichten, sondern separat auszuwerten. Erst Anfang Juli erschien ein erster 26-seitiger Bericht zum Covid-19-Impfgeschehen, Anfang August eine aktualisierte Version. Darin verwendet das RKI Daten aus Meldungen laut Infektionsschutzgesetz und unterscheidet diese nach den Kriterien grundimmunisiert (mindestens zwei Impfungen), mit Auffrischimpfung (mindestens drei Dosen) und ungeimpft. Diese wurden verglichen mit Angaben zu Hospitalisierung, Betreuung auf Intensivstationen (ITS) und mit Covid-19 assoziiertem Tod. Nicht eingeschlossen sind symptomlose Fälle von Patienten, die nicht wegen Corona stationär aufgenommen wurden. Unklar bleibt für den weiteren Klinikaufenthalt: Haben später auftretende Covid-19-Symptome nicht doch den Verlauf der Grunderkrankung verschlimmert oder zum Tode geführt?

Bis in das Frühjahr konnte das RKI bei Covid-Klinikfällen davon ausgehen, dass von etwa 80 Prozent der Impfstatus erfasst wurde. Seither wurde das immer schwieriger: Ende April war der Impfstatus nur noch bei 72,2 Prozent der Patienten auf Intensivstationen bekannt. Laut RKI-Daten vom 1. August war zuletzt nur noch bei 65 Prozent der symptomatischen, wegen Covid-19 hospitalisierten Fälle diese Einordnung möglich.

Insgesamt lässt sich sagen, dass mit Beginn der Omikron-Welle die Inzidenz der wegen Covid-19 stationär Aufgenommenen in allen Altersgruppen gesunken ist. Die höchsten Inzidenzen, so das RKI, zeigten sich über alle Altersgruppen hinweg in der ungeimpften Bevölkerung. Demnach bleibt es dabei, dass die Impfungen gut gegen schwere Verläufe und Tod schützen. So sind in der Altersgruppe der über 60-Jährigen 85 Prozent mindestens dreimal geimpft. Ihr Anteil an den Krankenhauseinweisungen wegen Covid-19 lag zuletzt bei knapp 40 Prozent. Ungeimpft sind in dieser Altersgruppe bundesweit etwa acht Prozent – bei Krankenhausaufnahmen wegen Corona beträgt ihr Anteil aber 30 Prozent, bei den ITS-Fällen knapp 40 Prozent, unter den an Covid-19 Verstorbenen machen die Ungeimpften etwa ein Drittel aus.

Allerdings ist bei 35 Prozent der Hospitalisierten der Impfstatus unklar, was die Aussagekraft dieser Zahlen einschränkt. Das RKI führt weitere Faktoren an: Die IfSG-Meldedaten seien nicht explizit zum Zweck der Berechnung der Impfeffektivität erhoben worden. Auch unterschiedliches Verhalten von Geimpften und Ungeimpften oder frühere Sars-CoV-2-Infektionen könnten die berechnete Impf-Effektivität verzerren.

Welche Möglichkeiten gibt es jenseits dieser Zahlen, zu handfesten Aussagen zur Wirkung von Impfstoffen zu kommen? Zulassungsstudien bisheriger Impfstoffe bezogen sich nicht auf die Wirkung bei späteren Virusvarianten. Internationale Erhebungen können Anhaltspunkte liefern, aus denen Unterschiede etwa bei der Bevölkerungsstruktur oder in der medizinischen Versorgung »herausgerechnet« werden müssten. Weiterhin fehlt eine große Stichprobe, möglich als ständige Überwachung von Gesundheitsdaten einer repräsentativen Gruppe der Bevölkerung.

Angesichts der Probleme mit den hierzulande offiziell erhobenen Zahlen stellt sich auch die Frage, auf welche Daten sich die Politik mit ihren Schlussfolgerungen etwa für die Bewerbung einer Impfkampagne für den Herbst beruft. Dass die bisher verwendeten Impfstoffe vor Ansteckungen mit veränderten Varianten immer weniger schützen, wird kaum direkt ausgesprochen. Aber viele Menschen wissen das schon aus ihrem Bekanntenkreis.

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