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Auferstehung eines vergessenen Linken
Ilja Ponomarjow hat sich nach dem Mord an Darja Dugina wieder ins Gespräch gebracht
Der Mord an der rechten Journalistin Darja Dugina ist seit Tagen eines der bestimmenden Themen in Russland. Noch bevor der Inlandsgeheimdienst FSB ein Video der vermeintlichen Mörderin veröffentlichte und damit viele Fragen aufwarf, drängte sich mit Ilja Ponomarjow ein fast vergessener Politiker samt Bekennerschreiben einer unbekannten Gruppe in den Vordergrund.
Eine Stunde dauert das Youtube-Video, in dem Ponomarjow sich zum Mord an Darja Dugina äußert und damit weltweit für große Aufmerksamkeit sorgte. Darin liest der ehemalige Duma-Abgeordnete, der 2014 als Einziger gegen die Annexion der Halbinsel Krim stimmte und zwei Jahre später in die Ukraine ausreiste, eine Erklärung vor, mit der sich die Republikanische Nationale Armee zum Anschlag auf die Tochter des berühmten Philosophen Alexander Dugin bekennt. Darauf folgt ein Werbevideo der bis dato vollkommen unbekannten Gruppierung.
In einem Interview mit dem Onlinemedium »Meduza« beharrt Ponomarjow darauf, dass die Republikanische Nationale Armee (RNA) und nicht die vom FSB präsentierte angebliche ukrainische Agentin Dugina umgebracht habe. Dass Ponomarjow wirklich mehr Informationen hat, ist durchaus zweifelhaft.
Der 1975 geborene Politiker entstammt der Elite. Der Großvater Diplomat, ein Onkel ZK-Mitglied, beide Eltern unter Wladimir Putin an Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Politik tätig, die Mutter sogar Mitglied im Föderationsrat.
Die berufliche Karriere Ponomarjows startet im Schatten der Oligarchie. Ohne Hochschulabschluss wird er mit 24 jüngster Vizepräsident des Ölunternehmens Yukos, das damals Michail Chodorkowski gehörte. Als der zunehmend mit Putin in Konflikt gerät, versucht Ponamarjew, damals noch Mitglied der Kommunistischen Partei (KPRF), die russischen Linken in einer radikalen Anti-Putin-Opposition zu vereinigen. Doch für den Versuch, eine Brücke zwischen linker und liberaler Opposition zu bauen, erntet Ponomarjow viel Misstrauen. Auch weil Chodorkwoski zuvor als angeblicher Spender der KPRF galt und die Kommunisten sich von ihm distanzieren, weil sie Putin als kleineres Übel gegenüber Oligarchen und Liberalen sehen.
Nach dem Austritt aus der KPRF versucht Ponomarjow eine neue linke Kraft aufzubauen, organisiert zwei Russische Sozialforen, wechselt zu Gerechtes Russland und wird 2008 einer der Gründer der Linken Front. Parallel zur wechselhaften politischen Karriere wird Ponomarjow 2010 zum Berater des Oligarchen Wiktor Wekselberg im Innovationszentrum Skolkowo. Wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten wird drei Jahre später gegen ihn ermittelt.
Die Proteste gegen die Manipulation der Dumawahl 2011 nimmt Ponomarjow zum Anlass für einen neuen Anlauf für ein Bündnis zwischen Linken und Liberalen gegen Putin. 2013 verlässt er Gerechtes Russland endgültig und versucht sein Glück bei der Minipartei Bündnis der Grünen und Sozialdemokraten. Berühmt wird Ponomarjow für sein Nein zur Annexion der Krim – als einziger Abgeordneter der Duma. Die hebt darauf prompt seine Immunität auf, offiziell wegen der Skolkowo-Affäre. Um sich dem Strafverfahren zu entziehen, flieht Ponomarjew in die Ukraine.
Aus der Ukraine meldet sich Ponomarjow immer wieder mit vermeintlichen Enthüllungen. Mal geht es um die angebliche Homosexualität Putins, mal um die wahre Geschichte des Skolkowo-Projektes – belegen kann er kaum etwas davon. Doch bei den Machthabern in Kiew ist er wohlgelitten. In seiner letzten Amtshandlung verleiht ihm Ex-Präsident Petro Poroschenko die Staatsbürgerschaft.
Zu Kriegsbeginn meldet sich der Neubürger an die Front und berichtet von der Freiwilligenlegion »Freiheit für Russland«, die auf ukrainischer Seite kämpft. Nun also das Bekennerschreiben der NRA, bei der es sich um »junge Menschen« handeln soll, die von der Untätigkeit der liberalen Opposition enttäuscht seien und deswegen für ein Russland ohne Putin kämpfen. Zum Programm gehören der Sturz Putins, die Beendigung des Krieges, die »Deoligarchisierung« und »Dezentralisierung« sowie der Aufbau eines »sozialen und gerechten Ordnungsstaat« genannt. Der Anschlag auf Dugina sei ein legitimes Ziel in diesem Kampf gewesen, so Ponomarjow.
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