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Planlos und ohne Ticket
Ende des Monats läuft das 9-Euro-Ticket aus. Jetzt fordern auch die Verkehrsminister der Länder eine Fortführung
Trotz Armut Bus und Bahn nutzen, um Freund*innen zu besuchen: Das ermöglicht das 9-Euro-Ticket. Das Projekt zur Entlastung der Bürger*innen von Inflation und steigenden Energiepreisen war laut Verbraucherschutzverbänden ein voller Erfolg. 38 Millionen Mal wurde es seit Ende Mai verkauft, so der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen zur Bilanz im letzten Aktionsmonat. Und das, obwohl weit weniger Menschen vom Auto in die Bahn umgestiegen sind als erwartet. Im Verkehrsraum München waren es laut des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen nur drei Prozent. Die Datenlage sei aber dünn und mit Vorsicht zu genießen, so der Projektleiter des Interessenverbandes Agora Verkehrswende gegenüber der ARD.
Einer Umfrage zufolge bewerten 43 Prozent der Menschen die Einführung des 9-Euro-Tickets als positiv. In dünner besiedelten Regionen wie der Mecklenburgischen Seenplatte und Ostfriesland war die Ablehnung des Tickets größer, heißt es in einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Civey unter 10 000 Bürger*innen durchführen ließ. In urbanen Regionen wie dem Ruhrgebiet oder Berlin hingegen stieß das Ticket auf große Zustimmung. Über 50 Prozent der Befragten bewerteten das Ticket positiv. Verbraucherzentralen, NGOs wie Campact und Teile der Opposition, vor allem die Linkspartei, forderten kürzlich ein nahtlos anschließendes Nachfolgeangebot. Die Verbraucherschutzverbände wollen ein 29-Euro-Ticket ab September.
Doch obwohl das Angebot Ende August ausläuft, ist eine Folgeregelung weiter ungewiss. Die Verkehrsminister*innen der Länder forderten den Bund in einer Sonderkonferenz am Freitag auf, »zeitnah einen tragfähigen und nachhaltigen Vorschlag« für Nachfolgeregelungen des 9-Euro-Tickets vorzulegen. Der Bund müsse »sich zu seiner vollständigen Finanzierungsverantwortung« bekennen, heißt es in dem Beschluss. Verhindert werden müssten »wirtschaftliche Notlagen« bei den Verkehrsunternehmen und massive Ticketpreiserhöhungen sowie Einstellungen von Verkehrsleistungen. Die Verkehrsminister*innen wiesen darauf hin, dass die erheblich gestiegenen Kosten für Energie und Kraftstoffe auch schwere Auswirkungen für die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs und den öffentlichen Personennahverkehr hätten.
Doch es steht schlecht um die Weiterführung der Entlastungsmaßnahme. Vor allem die FDP stellt sich der Weiterführung des günstigen Tickets entgegen, Finanzminister Christian Lindner will das 9-Euro-Ticket nicht verlängern. Nachdem er bereits in der »Augsburger Allgemeinen« über eine Gratismentalität sinnierte, sagte Linder kürzlich: »Es wurde vor der FDP-Parteizentrale demonstriert, das waren viele linke Gruppen, Antifa zum Beispiel und andere, und die setzen sich dafür ein, dass das 9-Euro-Ticket verlängert wird.«
Einen Tag zuvor hatte der Finanzminister die Forderung nach der Beendigung des Dienstwagenprivilegs zu Gunsten der Weiterfinanzierung des 9-Euro-Tickets als »linkes Framing« bezeichnet. Eine Weiterfinanzierung würde 14 Milliarden Euro kosten, erklärte Lindner. »Geld, das uns fehlt für die Bildung. Geld, das uns fehlen würde für das Schienennetz, also die Modernisierung.«
Doch gab es seitens der FDP überhaupt ausreichend Plan und Willen, die Schieneninfrastruktur auszubauen? Wie genau die FDP in den kommenden Jahren das überlastete Schienennetz sanieren und die fehlende Anbindung gerade ländlicher Orte gewährleisten will, darauf gab sie bisher keine Antwort. Stattdessen weiterhin Schlagwörter aus dem Wahlprogramm: Technische Innovationen fördern, Wettbewerb vorantreiben, Bahnverkehr privatisieren. Ein ausreichendes Finanzierungskonzept? Fehlanzeige. Dabei äußerten bereits im März Ministeriumsbeamte des Verkehrsministeriums unter Volker Wissing (FDP), dass der Bedarfsplan Schiene dramatisch unterfinanziert sei.
Tatsächlich zeigte das 9-Euro-Ticket die sträflich vernachlässigte Finanzierung von ÖPNV und Fernverkehr. Derartige Überschreitungen von Kapazitätsgrenzen sind vor allem für behinderte Menschen zur Last geworden. Gesellschaftliche Teilhabe und barrierefreies Reisen seien durch das 9-Euro-Ticket erschwert worden, teilte die Sprecherin der Aktion Mensch, Christina Marx, mit. Ein erhöhtes Passagieraufkommen führte dazu, dass beispielsweise Stellplätze für Rollstuhlfahrer*innen oft mit Fahrrädern belegt sowie Gänge zu barrierefreien Toiletten versperrt waren. Die Aktion Mensch forderte daher eine Beteiligung von Menschen mit Behinderung, wenn es um die Weiterführung des 9-Euro-Tickets geht.
Da die Mehrheit der 9-Euro-Ticket-Käufer*innen den Fahrschein für Ausflüge nutzte, zeigten sich Belastungsgrenzen vor allem in Küsten-, Berg- und Metropolregionen der Bundesrepublik. Nicht nur Bahnhofskapazitäten wurden hier deutlich überstrapaziert, sondern auch das Personal selbst. Die Folge: Ein Krankenstand von teilweise über 25 Prozent.
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