Die Notlage ernst nehmen

Es braucht grundsätzlich mehr Sensibilität für sexualisierte Gewalt von allen Seiten

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist interessant, wie oft beziehungsweise wie viele Menschen erklären, dass sie von häuslicher oder sexualisierter Gewalt keine Kenntnis hätten. Ein Beispiel, warum das so ist, wurde am Montag im Gleichstellungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses genannt. »Wir hatten im Mai dieses Jahres eine ganze Reihe von Frauen in Berliner Kliniken mit gebrochenem linkem Handgelenk«, berichtet eine Gewaltschutzberaterin. »Aber wir wissen nicht, woher diese Verletzung rührt, weil der Grund nicht erfasst wird«, fügt sie hinzu. Sicher kann niemand sagen, wie viele der verletzten Frauen Betroffene von häuslicher Gewalt waren, vielleicht war auch keine einzige darunter. Doch wenn es keine systematische Abfrage gibt oder Betroffene sich auch in medizinischen Einrichtungen nicht sicher genug fühlen, über ihre Gewalterfahrung zu reden, dann läuft das Problem unterm Radar. Wenn das schon im Gesundheitsbereich der Fall ist, wo Menschen arbeiten, die sich doch der Versorgung verletzter Personen verschrieben haben, aber auch häufig unter Arbeitsverdichtung leiden oder über ungenügende Sensibilisierung verfügen: Wie groß ist der Mangel erst überall sonst? Die eigene Unsicherheit darf nicht den Blick auf traumatisierende Gewalterfahrungen oft ohnehin schon vulnerabler Menschen verstellen.

Unzweifelhaft hat Berlin ein gut aufgestelltes Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen, senatsfinanzierte Frauenprojekte und Unterstützungsstrukturen, die auch als Beitrag zur Umsetzung der Istanbul-Konvention subsumiert werden können. Ob es sich dabei um Schutzunterkünfte, Beratungs- und Interventionsstellen, die BIG-Hotline und andere handelt: Anfragende können hier kompetent und niedrigschwellig beraten und wenn nötig weiterverwiesen werden. Allein – es reicht nicht. Es muss auch in Polizeidienststellen, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen über Gewalt- und Kinderschutz informiert werden und Handlungsoptionen müssen aufgezeigt werden. Curricula von Medizinstudium und Pflegeausbildungen müssen aktualisiert werden.

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