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Abschiebung in die Katastrophe
Flüchtlingsinitiativen kritisieren Ausweisungen in das von Überschwemmungen betroffene Pakistan
Am Dienstagmorgen gab es eine Sammelabschiebung von München nach Islamabad in Pakistan. Dabei leidet das Land seit zwei Wochen unter Überschwemmungen mit katastrophalem Ausmaß. Wegen der stärksten Monsun-Regenfälle seit mehr als drei Jahrzehnten und abschmelzender Gletscher im Himalaya steht inzwischen ein Drittel des Landes unter Wasser. 1300 Menschen haben bereits ihr Leben verloren. Landesweit sind 33 Millionen Menschen betroffen, 637 000 kamen in Notlagern unter. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor der Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera und Malaria.
Eine »humanitäre Bankrotterklärung« nannten der Bayerische Flüchtlingsrat, Abschiebungsreporting NRW und Hum Hain Pakistan e.V. die nun erfolgte Sammelabschiebung. Pakistan gehört zu den am stärksten vom Klimawandel und von extremen Wetterereignissen betroffenen Ländern weltweit, ist aber nur für einen Bruchteil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Im Frühjahr 2022 erlebte Pakistan bereits andere extreme Wetterbedingungen: Dürre und Temperaturen von über 50 Grad Celsius. Deutschland solle als Industrienation eine besondere Verantwortung im Kampf gegen die Erderwärmung zukommen, so die Organisationen. Die Sammelabschiebung sei auch in dieser Hinsicht »besonders zynisch«. Abgeschoben wurden wahrscheinlich 36 Menschen, die genaue Zahl konnte jedoch noch nicht bestätigt werden.
»Die Vereinten Nationen schicken Nothilfen nach Pakistan, Deutschland schiebt vulnerable Personen dorthin ab. Diese menschenfeindliche Chuzpe ist unbeschreiblich,« erklärt Samar Khan von Hum Hain Pakistan. Die nach Pakistan abgeschobenen Menschen saßen zuvor in Bayern und Baden-Württemberg in Abschiebehaft. Viele von ihnen kommen aus der Punjab-Provinz. Dort sind einige Regionen massiv von den Folgen der Flut betroffen. Neben Bayern und Baden-Württemberg schiebt auch Nordrhein-Westfalen regelmäßig nach Pakistan ab. Eine Beteiligung am aktuellen Flug ist bisher aber noch unklar.
Noch bis Anfang August letzten Jahres fanden auch Abschiebungen nach Afghanistan statt, obwohl dort vor der Machtübernahme der Taliban am 15. August kaum ein Tag ohne Anschlag verging. Nur ein paar Jahre zuvor, 2017 und 2018, kam es nach Informationen der Deutschen Welle in Afghanistan zu einer wachsenden Anzahl an Binnenflüchtlingen aufgrund von Dürre und bewaffneten Konflikten. Auch dort spielen also die Folgen des Klimawandels eine beachtliche Rolle.
In ihrer Mitteilung verweisen der Bayerischer Flüchtlingsrat, Abschiebungsreporting NRW und Hum Hain Pakistan auch auf das Schicksal eines Mannes, dessen Heimatdorf in der Punjab-Provinz unter Wasser steht, dessen Familie alles verlor und der trotzdem abgeschoben wurde. H. lebte seit 2015 in Deutschland und saß zuletzt in Abschiebehaft am Münchner Flughafen. Er hatte sogar ein Arbeitsangebot für ein Imbisslokal.
Der Pakistaner wäre für das geplante Chancenaufenthaltsrecht in Frage gekommen, so die Organisationen. Dieses wurde von der Bundesregierung im Juli als Teil des ersten Migrationspakets beschlossen, um Kettenduldungen zu verhindern und die Zahl der Langzeitgeduldeten zu verringern. Langjährig Geduldete sollen durch eine einjährige Aufenthaltserlaubnis die Möglichkeit erhalten, die »notwendigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht« zu erfüllen. »Menschen, die sich zum Stichtag 1. Januar 2022 fünf Jahre lang in Deutschland aufgehalten haben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, profitieren davon«, erklärte die Bundesregierung damals.
Noch ist das Chancenaufenthaltsrecht aber nicht umgesetzt. Wahrscheinlich dauert es damit noch bis zum Ende dieses Jahres. Personen, die damit auf eine Bleibeperspektive hoffen können, sollten nicht abgeschoben werden, bevor dieses Gesetz greift. »Einige Bundesländer haben Vorgriffsregelungen erlassen, um so etwas zu vermeiden. Andere – wie Bayern – schaffen Tatsachen und schieben munter weiter ab,« kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. »Gemeinsam mit Abschiebungsreporting NRW und Hum Hain Pakistan e.V. fordern wir von der Bundesregierung, die jeweiligen Länder anzuweisen, diese Praxis sofort zu unterlassen. Dann hätten Ausländerbehörden auch wieder mehr Kapazitäten, über Anträge auf Arbeitserlaubnisse oder Aufenthaltstitel zu entscheiden, die in nicht wenigen Fällen mehrere Monate bis Jahre liegen bleiben.«
Schon 2021 habe Pakistan mit 513 abgeschobenen Menschen bundesweit auf Platz vier bei den Abschiebungen aus Deutschland gelegen, so Sebastian Rose von Abschiebungsreporting NRW. Er fordert »angesichts der Jahrhundertkatastrophe in diesen Tagen in Pakistan« ein Umdenken. Abschiebungen nach Pakistan müssten umgehend ausgesetzt werden.
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