- Kultur
- Queen Elisabeth II.
Pop-Ikone mit giftigem Erbe
Beim Tod von Elisabeth II. wird klar: die britische Monarchie hat sich überlebt
Sie war so berühmt wie Micky Maus, eine Ikone der Popkultur: Elisabeth II ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Für die Gewaltpolitik des Empire hat sie sich nie entschuldigt.
»The Queen is Dead«, verkündete Morrissey, Frontmann der Gitarrenband The Smiths, im Jahr 1986. Nun also, fast schon ein Menschenleben später, ist es wahr geworden. Mit der Codeformel »London Bridge is down«, vermeldete der königliche Privatsekretär am frühen Donnerstagabend in einem Anruf bei der neuen Premierministerin Truss das Ableben der 96-jährigen Monarchin. Das Vereinigte Königreich, nein: nahezu die ganze Welt trauert nun. Dies zumal in den Ländern des Commonwealth, über die einstmals die britische Krone herrschte und die rührige Greisin in ihren pastellfarbenen Kleidern unverändert das nominelle Staatsoberhaupt war.
Die im zweistelligen Millionen-Bereich anzusiedelnden Opferzahlen der britischen Kolonialherrschaft in Afrika und Indien, die Gewaltgeschichte des britischen Sklavenhandels und das ganze, vergiftete Erbe des britischen Raubtierkapitalismus vom 17. bis zum 19. Jahrhundert – das alles verblasst unter dem entschärfenden Begriff des Commonwealth (Gemeinwesen), mit dem man diese blutige Erbschuld der Historie ins 20. und 21. Jahrhundert überführt hat.
Zwar fiel etwa 2020 im Gefolge der BLM-Unruhen ein Bristoler Sklavenhändlerdenkmal in den River Avon, aber das blieb eine woke Modeerscheinung. Die unzähligen Opfer der Gewaltgeschichte lasten als gewaltige moralische Hypothek auf der britischen Nation. Und eine offizielle und vollumfängliche Entschuldigung für die Massenmorde (auch an der irischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert) steht unverändert aus.
Von den politisch wie moralisch mediokren Gestalten, welche die Posten des Premierministers auf der Insel bekleiden, wäre dergleichen ohnehin nicht zu erwarten. Ihre Majestät aber wäre die richtige Person gewesen, hier endlich mal ein aufrichtiges Wort der Entschuldigung, des Bedauerns und vor allem aber der Scham zu sprechen. Nicht zuletzt, da sie in Palästen residierte, deren Opulenz zu wesentlichen Teilen aus den Erträgen der Ausplünderung anderer Völkerschaften resultierte. Doch das zweite elisabethanische Zeitalter ging ohne Vergebungsversuch vorbei, ein erbärmliches Versäumnis der Monarchie. Und nicht das einzige.
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Als »eine Frau so berühmt wie Mickey Mouse« beschreibt Adelsexpertin Mareile Höpner Ihre Majestät in der Festschrift »Was kommt nach der Queen? Das englische Königshaus zwischen Boulevard und Buckingham Palace« (Rowohlt, 2018). Und in der Tat ist Elisabeth Windsor früh schon zu einer Ikone der Popkultur sowie monarchischem Versatzstück der Hochkultur geworden.
Man denke etwa an den Skandal, den die Sex Pistols mit ihrem Song »God Save The Queen« 1977 zum 25. Thronjubiläum auslösten. Oder an die bunten, inzwischen unbezahlbaren Siebdrucke von Andy Warhol mit der ihr königliches Diadem tragenden Elisabeth. Oder an Thomas Bernhards Theaterstück »Elisabeth II.«, in den eine Wiener großbürgerliche Abendgesellschaft die Königin bei einem Staatsbesuch sehen möchte: Als der Konvoi mit ihr vorbeifährt, versammelt man sich auf dem Balkon, der aufgrund der Last jedoch abbricht und alle Oberschichtangehörige in den Tod reißt.
Eine schöne Parabel des Arbeiterkinds Bernhard für das Schicksal, welches die Klassengesellschaften spätestens im 21. Jahrhundert verdient. Wie kaum der Betonung bedarf, symbolisiert sich die als vorgegeben und unabänderlich empfunden Ungleichheit unter Gleichen symbolisch nirgends handgreiflicher als im atavistischen Fortbestand der Monarchien, samt dem assoziierten Adelsapparat. Ein Glück insofern, dass in den deutschsprachigen Ländern die Könige zum Teufel gejagt wurden. In Österreich schaffte man, mehr noch, den Adel ab, während in Deutschland sowohl Hitler (nach dem 20. Juli 1944) sowie die SED ab 1949 ihren Teil taten, die führende Rolle der preußischen Junkerschaft zu eliminieren.
In Großbritannien wiederum lässt sich exemplarisch beobachten, wie die Institution der Monarchie die zunehmende soziale Ungerechtigkeit stützt, in dem sich Londoner upper class wie die Unterschicht in den Sozialghettos des Nordens in gemeinsamer Trauer geschlossen vereint hinter dem neuen König Charles III., denn nichts ist ursächlicher für das monarchische Prinzip als der Fortbestand der Krone durch die Erbfolge.
Mag sich auch alles verändern in der Welt, sich das vertraute Lebensumfeld der somewheres bis zur Unkenntlichkeit verändern innerhalb einer Generation – eines bleibt ehern: die Krone. Und mit ihr, neben dem Fortbestand der Ungleichheit, der Nationalismus.
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Aber bin ich gerecht? Verdient eine Person wie Ihre Majestät, zumal in Anbetracht des Todes, nicht auch Mitgefühl, sind wir doch alle nur Menschen? Zweifellos, zumal wenn man Gerüchten Glauben schenken darf, dass Elisabeth früher, wenn sie allein war, gerne zu Abba tanzte. Hinter der Monarchin mit ihren vielen Privilegien verschwindet zwangsläufig der durchaus bedauernswerte Mensch, der das Unglück hatte, in eine fremdbestimmte Rolle hineingeboren zu werden, aus der es zeitlebens kein Befreien gab. Dabei war der kleinen Elisabeth Alexandra Mary Windsor keineswegs in die Wiege gelegt, einmal den englischen Thron zu besteigen.
Nach dem Tod von George V. wäre eigentlich sein Sohn Edward VIII. dran gewesen, doch der passionierte Tennisspieler verzichtete 1936, in einer bemerkenswerten Geste, der Liebe wegen. So fand sich Elisabeths Vater als George VI. unfreiwillig auf dem Thron wieder, und musste ihrem Vater nach seinem Tod im Jahr 1952 dorthin nachfolgen. Elisabeth war gerade 26 Jahre alt, als ihre Lebensstrafe begann. Ebenso viel zu früh, mit 21 Jahren, hatte sie Philipp Mountbatten geheiratet, dem sie im jungfräulichen Alter von 13 Jahren zuerst begegnet war.
Dieser firmierte als Prinz von Griechenland und stammte aus einer norddeutschen Adelslinie. Dass im blauen Blut des britischen Königshauses bereits seit viktorianischen Zeiten – sofern man einem solch biologistischem Denken anhängt – gut und gerne zur Hälfte ein deutscher Anteil floss, gehört zu den schmutzigen Familiengeheimnissen der englischen Monarchie. Fast 75 Jahre war Philipp der Nebendarsteller seiner Zwangsrolle »glückliche Ehe«, aus der allenfalls in Form politisch inkorrekter Bemerkungen ausbrach. Im Scherz, seine Frau interessiere sich allein für Lebewesen, die vier Beine haben, steckte freilich viel Wahrheit. Philipp spielte damit auf Elisabeths Passion für die Zucht von edlen Hengsten und kurzbeinigen Corgi-Hunden an, die sie – ganz royal dekadent – dem Vernehmen nach mit scones (Rosinenbrötchen) samt clotted cream and strawberry jam füttert.
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Unter den vielen Epitheta, die Elisabeth trug – »Majesty by the Grace of God, of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of Her other Realms and Territories, Head of the Commonwealth, Defender of the Faith« – befand sich ebenso der von der königstreuen Schmierpresse verliehene Beiname der »Großmutter Europas«. Nun ja, mit Europa ist es seit dem Brexit ja nicht mehr weit her in GB, das aufgrund des EU-Austritts und anderer desaströser Politikversagen schon vor der aktuellen Krise gefährlich nahe an den Abgrund gerückt war.
Dass Elisabeth zu all dem brav geschwiegen hat, wie es ihre Rolle vorgesehen hat, ist ein weiteres kapitales Versagen der englischen Monarchie. Insofern sinnig, dass ihre letzte Amtshandlung war, die schamlose Opportunistin Elisabeth Truss als Regierungschefin zu inthronisieren, die sich über ihr Ableben die Hände reibt, lenkt der royale Tamtam doch von dem eklatanten Missmanagement ihrer politischer Führung ab.
Die Familienbande jeder Erbmonarchie sind seit eher eisern. Und als so gestrenge wie liebevolle Chefin der Royal Family präsidierte Oma Elisabeth über einen, bei genauerer Betrachtung doch durchaus normalen Patchwork-Familienverband: Traumhochzeiten führen so direkt wie zwangsläufig zu unglücklichen Ehen; die des neuen Throninhabers endete gar im tragischen Unfalltod der Gattin. Deren zweiter Sohn wiederum stammt angeblich nicht von Charles, was vielleicht der Grund sein mag, warum seine amerikanische, bürgerliche Prinzgemahlin von rassistischen Bemerkungen aus dem inneren Familienkreis der Windsors berichtet, natürlich medienwirksam bei der derzeit wegen woker Delikte in einer Zwangsauszeit befindlichen Oprah Winfrey.
Resultat eines royalen Ehebruchs, dem Vernehmen nach mit den königlichen Stall- und Reitmeister, könnte allerdings auch Andrew sein, der Lieblingssohn der Königin. Genauer sollte man sagen: ihr ehemaliger Lieblingssohn. Denn seit er sich als Serienvergewaltiger minderjähriger Mädchen entpuppte, machte man ihn zur persona non grata. Aber schwarze Schafe gibt es wohl in jeder Familie, wenngleich nicht jede Familie Nimbus wie Finanzmittel besitzt, sich juristischer Strafverfolgung durch außergerichtliche Vergleiche zu entziehen.
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Der bemerkenswerte Smiths-Song von 1986 über den Tod der Königin drehte sich übrigens keineswegs um musikalische Todeswünsche, obgleich die aus der Arbeiterklasse stammende Band erklärte Gegner der Monarchie waren. Das Stück zielte vielmehr darauf ab, dass die mediale Faszination mit dem Königshaus ersterben möge. Denn, so Morrissey: »The whole thing seems like a joke. A hideous joke.« Ein grässlicher Scherz – treffenderes lässt sich angesichts des Todes von Elisabeth II. nicht über das monarchische System sagen, das spätestens im 21. Jahrhundert sein gebührendes wie überfälliges Ende verdient.
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