- Politik
- Politik / Indien
Hindu-Rechte jubeln
Teilurteil im Konflikt um indische Moschee stärkt Hindu-Nationalisten
Es ist noch kein Urteil im Kern der Sache. Doch mit der Entscheidung, den grundsätzlichen Klageanspruch einer Gruppe hinduistischer Gläubiger für gerechtfertigt zu erklären, hat Richter AK Visvesha am Montag ein Signal gesetzt. Einen ausreichenden Grund, die Klage als unzulässig abzuweisen, sah er nicht. Fünf Hindu-Frauen streiten vor Gericht dafür, an hinduistischen Götterstatuen beten zu dürfen, die sich im äußeren Teil der Moschee befinden. Da sie weder deren Umwandlung in einen Shiva-Tempel noch das Eigentum anstrebten, sondern lediglich Gebetsrecht einforderten, könne mit dem Hauptverfahren begonnen werden, so der Richter in seiner Begründung.
Ein vom Moschee-Komitee ins Feld geführtes Gesetz (Places of Worship Act), das religiösen Stätten, die zur indischen Unabhängigkeit 1947 Bestand hatten, generellen Schutz einräumt, greife deshalb nicht, so Visvesha. Die Anwälte des Komitees hatten auf dieser Basis eine Abweisung der Klage gefordert. Der nächste Verhandlungstag ist für den 22. September angesetzt.
»Ich bin so glücklich, wir haben Geschichte geschrieben«, zitierten Medien nach dem Richterspruch eine der fünf Frauen. Vier davon, befreundet und allesamt aus Varanasi, waren am Montag selbst im Gerichtssaal. Die Fünfte aus der Hauptstadt Delhi ist bisher nicht in Erscheinung getreten, sondern ließ nur ihren Anwalt agieren. Wie die Gruppe nach ihrem Teilerfolg bekundete, wolle sie nun das Hauptverfahren mit noch größerer Energie vorantreiben.
Während den Klägerinnen wohlwollend unterstellt werden kann, dass es ihnen als tiefgläubige Hindus tatsächlich vorrangig um ihr Recht auf Gebet an alten Götterstatuen geht, hat der ganze Fall dennoch eine weit in den politischen Raum reichende Komponente. Selbst jede Teilentscheidung, egal wie sie ausfällt, birgt das Potenzial, das gesellschaftliche Klima zwischen den beiden größten religiösen Gruppen im 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Indien weiter aufzuheizen.
Das zeigten erste Reaktionen auf das Urteil zur Klageberechtigung. So ließ Subramaniam Swamy, Ex-Parlamentarier und Wortführer der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) von Premier Narendra Modi, gegenüber dem größten TV-Netzwerk Republicworld wissen: »Das ist nur ein Zwischenschritt. Der große Schritt ist der, den wir vor dem Supreme Court ausfechten, um die Moschee zu räumen und einen Hindu-Tempel an der Stelle zu errichten.« Keshav Prasad Maurya, Vizechef der von BJP-Hardlinern dominierten Regionalregierung des bevölkerungsreichsten Unionsstaates Uttar Pradesh, in dem Varanasi liegt, richtete seinen Blick bereits auf die Stadt Mathura, wo sich ein ähnlicher Streitfall abzeichnet.
Dabei bestreitet niemand ernsthaft, dass sich auch an der Stelle der heutigen Gyanvapi-Moschee einst ein hinduistisches Heiligtum befand. Schließlich ist diese Religion auf dem Subkontinent an die 4000 Jahre alt, während der Islam sich erst unter den Eroberern der Moghul-Dynastie im größeren Stil verbreitete. Einer dieser Herrscher hatte vor rund 600 Jahren auch in Varanasi die Moschee auf den Trümmern eines Hindu-Tempels errichten lassen. Kein Wunder also, dass unlängst bei einer gerichtlich veranlassten Videountersuchung ein Shiva-Lingam, phallisches Symbol der höchsten Hindu-Gottheit, auf dem Gelände gefunden wurde.
Die BJP, die unter Modi seit 2014 in zweiter Legislaturperiode auf nationaler Ebene sowie in den meisten Unionsstaaten regiert, ist die politische Speerspitze einer Bewegung, die das Land nicht als säkulares Staatswesen, sondern als Bharat, Staat der Hindus, versteht. Dafür streiten der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), die Mutterorganisation der Partei, und diverse, noch extremistischere Gruppen wie Bajrang Dal oder Welt-Hindu-Rat (VHP). Ein Mob aus diesem Lager zerstörte 1992 die Babri-Moschee in Ayodhya, ebenfalls in Uttar Pradesh. Dort entsteht nach einem umstrittenen Richterspruch vom November 2019 der neue Ram-Tempel, für den der Premier selbst 2020 den Grundstein gelegt hat und der 2024 fertig sein soll.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.