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Abschiebung verhindert
Polen will gefährdete Kurden in den Irak abschieben. Unterstützer von Geflüchteten organisieren Proteste
Es ist Dienstagabend, der 13. September, 19 Uhr, am Warschauer Chopin-Flughafen. Eine 30-jährige Kurdin mit ihren zwei Kindern (acht und neun Jahre) soll mit einer Maschine der Turkish Airlines in den Irak abgeschoben werden. Sie war im November 2021 mit 13 weiteren Familienangehörigen von Aktivist*innen im Wald an der belarussisch-polnischen Grenze gefunden und verpflegt worden. Wie die Helfenden in den sozialen Medien und gegenüber der Warschauer Tageszeitung »Wyborcza« betonen, hatte ihre Familie im Irak für das Militär gearbeitet, das den »Islamischen Staat« bekämpfte. Aus Angst vor Folter und Mord verkauften sie dann ihr Haus und ihr gesamtes Eigentum, um sich in Europa in Sicherheit zu bringen.
In Polen kam die Familie in ein geschlossenes Flüchtlingslager im nahen Biała Podlaska, weil sie ja »illegal« die Grenze übertreten hatten, wie es der polnische Grenzschutz formuliert. In dieser Isolation blieben Mutter und Kinder zehn Monate, bis nun zwei Asylanträge abgelehnt wurden und der Grenzschutz die kleine Familie zum Flughafen nach Warschau brachte.
Aktivist*innen rund um die NGO Grupa Granica, die sich 2021 zur Unterstützung der Fliehenden an der belarussisch-polnischen Grenze gegründet hatte, schlugen Alarm. Zum Flughafen kamen auch Abgeordnete und Menschenrechtsbeauftragte, erzählt die Psychologin Maria Kziążak vom Berliner Verein Xenion, die seit Jahren ein weites Netzwerk aufgebaut hat und Flüchtende in Polen betreut, auch jene, die in geschlossenen Flüchtlingslagern einsitzen müssen.
Die Kurdin verweigerte sich dann wohl sehr aktiv der Abschiebung und bekam dabei die Unterstützung der Anwesenden. Das Online-Portal »Oko.Press« berichtet, dass an die Fluggäste Flyer verteilt wurden, in denen über die Lage der Frau informiert wurde. Um 19:30 Uhr ist klar: keine Abschiebung. Schließlich habe der Grenzschutz die Familie in ein anderes geschlossenes Flüchtlingslager gebracht: nach Kętrzyn im Nordosten Polens, rund 40 Kilometer vor der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad.
Maria Książak von Xenion kontaktierte die Kurdin am Folgetag von Berlin aus: psychologische Beratung mit Dolmetscher per Telefon, so läuft das oft. Daria Gosek-Popiołek, Abgeordnete der polnischen linken Partei Lewica, erklärte gegenüber »Oko.Press«, das Büro des polnischen Beauftragten für Menschenrechte und mehrere NGOs wollten die Kurdin nun bei einem erneuten Asylantrag unterstützen. Mehrere Familienmitglieder hätten bereits in anderen EU-Staaten Asyl bekommen. Einer von ihnen, berichten Medien, sei der Vater der 30-Jährigen, bei dem sie seit der Scheidung von ihrem Mann wieder lebte. Warum man ihr die Familienzusammenführung bisher nicht ermöglichte, ist unklar.
Gleichzeitig macht Książak ein anderer, ähnlich dramatischer Fall Sorgen: An diesem Mittwoch sollte ein junger Palästinenser aus Frankfurt am Main nach Polen abgeschoben werden. Er sei ein Patient von ihr, betont sie, und in den vergangenen Monaten wegen psychischer Probleme und einer kaputten Hüfte im Krankenhaus behandelt worden.
»In Kürze sollte er operiert werden, er kann so doch gar nicht laufen«, erzählt sie aufgeregt. »Trotzdem hat man ihn entlassen und direkt zur Abschiebung gebracht.« Man habe ihm zwar auch in Polen medizinische Behandlung und Dolmetscher versprochen, aber kurz vor dem Abschiebetermin seien weder Ärzte in Deutschland erreichbar gewesen, noch wussten Verantwortliche in Warschau über den Transport Bescheid.
Abschiebungen nach Polen erscheinen vielen Betroffenen fast so schlimm wie solche in ihre Herkunftsländer. Książak weiß das, sie kennt die Bedingungen dort gut. Und auch internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI) kritisieren immer wieder, dass polnische Behörden wiederholt Grundrechte von Schutzsuchenden verletzen.
Neben illegalen Pushbacks an der Grenze zu Belarus thematisiert der jüngste AI-Bericht vom April 2022 auch die Unterbringung Geflüchteter und die Abschiebepraxis in Polen: das Festhalten in überfüllten, isolierten, gefängnisähnlichen Zentren mit schlechten hygienischen Bedingungen und kaum medizinischer Betreuung.
Abschiebungen, so der Bericht, würden vor allem in den Irak umgesetzt, denn Polen arbeite mit dortigen Behörden zusammen. Außerdem unterstütze die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Transporte. Dokumente über »freiwillige Rückkehr« würden teilweise ohne Übersetzungen und unter großem psychischem Druck oder sogar mit Gewalt zur Unterschrift vorgelegt.
Ende Juli hatte darum schon einmal ein Turkish-Airlines-Pilot eine Abschiebung vom Warschauer Chopin-Flughafen verhindert. Er weigerte sich einfach, berichtete »Wyborcza« damals, den 26-jährigen Iraker zu befördern, dem im Irak wegen seiner Teilnahme an prodemokratischen Demonstrationen Verfolgung droht, womöglich bis hin zur Todesstrafe. Seine Frau und sein Sohn haben bereits den Asylstatus in Schweden. Nach EU-Recht müsste auch er dorthin nachfolgen dürfen.
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