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Mit der BVG an jede Ecke
Berliner Verkehrsbetriebe starten Berlkönig-Nachfolgesystem in Teilen der Stadt
Der Berlkönig ist tot. Es lebe BVG Muva. Seit Donnerstag haben die Berliner Verkehrsbetriebe damit wieder einen Sammeltaxidienst im Angebot, der sich von dem Vorgänger, der nach vier Jahren Betrieb im Sommer eingestellt worden ist, unterscheidet.
Eigentlich sind es zwei Systeme. Einerseits ein Angebot für Fahrgäste, die zum Erreichen oder Verlassen von Schnellbahnstationen auf einen Fahrstuhl angewiesen sind. Fehlt dieser oder ist defekt, soll zu den Schnellbahn-Betriebszeiten ein Muva-Sammeltaxi gerufen werden können, das einen zum nächsten barrierefreien Bahnhof bringt. »Wo ein Aufzug ausfällt oder leider noch fehlt, soll niemand mehr auf der Strecke bleiben«, erklärt Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Mit diesem Angebot sei man »deutschlandweit Vorreiter«. Zunächst wird der Dienst an der U5 zwischen den Bahnhöfen Frankfurter Allee und Tierpark inklusive der S-Bahnhöfe an der Strecke angeboten, an den Stationen Attilastraße und Marienfelde der S2 sowie entlang der kompletten U8. Allerdings nur, wenn es keine akzeptable Alternative mit Bus oder Straßenbahn gibt.
Der zweite Teil von BVG Muva nennt sich »Flexible Fahrt«. Dabei werden auf 62 Quadratkilometern im Ostteil Berlins rund um die Uhr Fahrten vom oder zum nächstgelegenen U- oder S-Bahnhof angeboten, aber auch Direktfahrten innerhalb des Gebiets. Im Westen bilden die Ringbahnhöfe Frankfurter Allee und Ostkreuz die Grenze, im Süden die Spree, außerdem wird der Bahnhof Schöneweide angebunden. Richtung Norden begrenzt, vom Zentrum aus gesehen, zunächst die Frankfurter Allee das Fahrgebiet, ab dem Bahnhof Lichtenberg ist es die S5 Richtung Strausberg, zusätzlich ist das nördliche Kaulsdorf dabei. Im Osten ist an der Stadtgrenze Schluss.
»Wir wollen damit den Verzicht aufs Auto erleichtern und denen ein Angebot machen, die wegen langer Wege zur Haltestelle weniger mobil sein konnten«, erklärt Senatorin Jarasch zum Start des Angebots. Die BVG starte damit ein »Grundangebot«, das »laufend verbessert« werde. »Ich bin gespannt, wie dieses Projekt angenommen wird – und was wir daraus für die Mobilitätswende lernen können«, so die Grünen-Politikerin weiter. »Dort, wo wir mit großen Bussen und Bahnen noch nicht überall hinkommen, soll der BVG Muva jetzt Lücken schließen«, ergänzt BVG-Chefin Eva Kreienkamp.
Was die beiden Muva-Säulen eint, ist, dass wie beim früheren Sammeltaxidienst Berlkönig siebensitzige Kleinbusse eingesetzt werden. Auch barrierefreie Fahrzeuge sind Teil der Flotte. Mit Via ist es auch dasselbe Unternehmen, das den Dienst im Auftrag der BVG erbringt; es hatte sich im Frühjahr in der entsprechenden Ausschreibung durchgesetzt.
Im Gegensatz zum Vorläufer ist Voraussetzung für die Nutzung eine gültige Fahrkarte für den entsprechenden Tarifbereich. Geht es um defekte Aufzüge, fallen keine zusätzlichen Kosten für das Sammeltaxi an. Für flexible Fahrten werden bei einer Verbindung von oder zu einem Bahnhof für den ersten Fahrgast 1,50 Euro fällig, Mitfahrende zahlen 50 Cent. Bei Direktfahrten gelten diese Sätze pro Kilometer. Das ist selbst zu zweit deutlich günstiger als eine Taxifahrt. Dort liegt der Grundpreis derzeit bei 3,90 Euro, für die ersten sieben Kilometer werden je 2,30 Euro verlangt.
Vom Taxi unterscheidet sich das Angebot, weil nicht bis vor die Haustür gefahren wird, sondern zu 4000 Haltepunkten. Das können reguläre Bushaltestellen sein, meist handelt es sich aber um sogenannte virtuelle Haltestellen an Straßenkreuzungen oder wichtigen Zielen. Ein bereits beim Berlkönig erprobtes Konzept. Außerdem werden nach Möglichkeit unterschiedliche Fahrtwünsche gebündelt. Allerdings, so die eher ernüchternde Erkenntnis beim Berlkönig: Für den erhofften Umweltvorteil ist es zu selten gelungen, mehrere Fahrtwünsche zu kombinieren, obwohl das Bediengebiet in der dicht besiedelten Innenstadt Berlins lag. Die Voraussetzungen außerhalb des Zentrums sind dafür noch ungünstiger.
Eine wichtige Neuerung: Um das Muva-Sammeltaxi bestellen zu können, ist kein Smartphone mehr nötig, das ist auch telefonisch möglich. Bezahlt werden kann auch mit Guthabenkarten, demnächst soll die Erteilung einer Lastschrift per Telefon möglich sein.
Für beide Dienste zusammen stehen zunächst 20 Fahrzeuge zur Verfügung. Bei der BVG rechnet man damit, dass trotzdem im Regelfall die Wartezeit nicht länger als zehn Minuten beträgt. Im vorigen Jahr war man noch von einem Bedarf von bis zu 26 Kleinbussen ausgegangen – bei einem damals laut Planung noch um ein Drittel kleineren Bediengebiet. Die Südgrenze hätte nicht die Spree, sondern die S3 nach Erkner sein sollen. Das Landesunternehmen setzt auf die Effizienz der Algorithmen des Betreibers Via bei dem Dienst, der in der Fachsprache auf den schönen Namen »gepooltes On-Demand-Angebot« hört.
»Das alternative Beförderungsangebot bei Fahrstuhl-Ausfall ist super«, lobt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB gegenüber »nd«. Kritisch sieht er, dass zum Teil eklatante Bedienungslücken im Linienverkehr durch den flexiblen Kleinbus übertüncht werden. »Die schlecht angebundenen Fahrgäste werden auch noch bestraft, indem sie einen Zuschlag zahlen müssen«, beklagt er. 2021 hieß es noch, dass der Zuschlag wegfallen soll, wenn es um laut Kriterien des Nahverkehrsplans unterversorgten Gebiete geht. Das sei zunächst zurückgestellt worden, um einen einfacheren Tarif zu erhalten, heißt es von der BVG.
»Nachdem der Berlkönig leider genau dort eingesetzt worden ist, wo es bereits ein gutes Mobilitätsangebot gibt, haben wir nun mit dem neuen Rufbus – BVG Muva – einen Fahrdienst, der tatsächlich die Außenbezirke abdeckt und es ermöglicht, dass wir Angebotslücken im Nahverkehrsnetz schließen«, sagt Kristian Ronneburg erfreut zu »nd«. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Die Einführung darf jedoch nicht dazu führen, dass wir Pläne für den weiteren Ausbau des Linienverkehrs zurückstellen. Es braucht weiterhin den Ausbau von Bus und Straßenbahn mit einem attraktiven Takt und einem verlässlichen Fahrplan«, mahnt er.
Die Einführung des »Aufzugersatzes« unterstreiche den Schwerpunkt in der Verkehrspolitik der Koalition, Mobilität abzusichern, Barrierefreiheit herzustellen und Teilhabe zu ermöglichen, so Ronneburg. »Dieses Angebot muss so schnell wie möglich erweitert werden, denn den Fahrgästen auf der U5 kann man nicht erklären, warum der Dienst nicht bis Hönow angeboten wird«, sagt der Linke-Politiker. Auch auf dem östlichen Teil der Strecke fehlten Aufzüge. »Und die zu DDR-Zeiten erbauten Rampen sind zu steil und keineswegs barrierefrei.«
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