Nordkoreas Isolation bröckelt

Ukraine-Krieg eröffnet Pjöngjang neue diplomatische Spielräume

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht nur Südkorea schaut nach Jeju, eine Insel im Landessüden. Unter dem Motto »Jenseits von Konflikt, gen Frieden: Koexistenz und Kooperation« sind seit Mittwoch diverse hohe Gäste eingeladen, um sich inmitten des Ukraine-Kriegs, der Konflikte zwischen dem Westen und China sowie des jahrzehntealten Brodelns auf der koreanischen Halbinsel auszutauschen. Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta aus Osttimor ist da, ebenso wie der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der Gouverneur des US-Bundesstaats Maryland, Larry Hogan, und der südkoreanische Außenminister Park Jin. Doch die illustre Runde wirkt eher wie ein Treffen unter Gleichgesinnten als vielversprechendes Konferieren. Denn Nordkorea ist abwesend, mit dem der Süden seit Beginn des dreijährigen Koreakriegs, der 1953 nur in einem Waffenstillstand endete, formal im Kriegszustand verharrt. Zuletzt gab es vermehrt Versuche einer Normalisierung der Beziehungen. Inzwischen gilt sie als unrealistisch, da sich Nordkorea in eine andere Richtung orientiert.

Was sich schon zuvor angedeutet hat, zeigt sich seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs besonders deutlich: In der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang hat man den Angriff Russlands auf die Ukraine als große Chance erkannt – nämlich um die extreme diplomatische Isolation des diktatorisch regierten Einparteienstaats aufzubrechen und fortan auch ohne das Wohlwollen des Westens oder der weiteren internationalen Gemeinschaft freundschaftliche Kontakte zu knüpfen.

Im Juli wurde Nordkorea zu einem der ersten Staaten, die die von Russland unterstützten ukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk offiziell anerkannten. Daraufhin brach die ukrainische Regierung in Kiew die diplomatischen Beziehungen zu Pjöngjang ab. Dies dürfte der nordkoreanische Regierungschef Kim Jong-un allerdings einkalkuliert haben. Kim hat bereits angedeutet, dass er Arbeiter in die Separatistengebiete schicken werde, um Aufbauarbeit in den vom Krieg gezeichneten Gegenden zu leisten.

Kurz darauf erklärte Denis Pushilin, Führer der Separatistenbewegung in Donezk, den Wunsch, mit Nordkorea auf die Ebene der bilateralen ökonomischen Kooperation zu gelangen. Mit Luhansk gibt es offenbar einen ähnlichen Austausch. Für Nordkorea, das wegen seiner wiederholten Raketentests und Menschenrechtsverletzungen von der internationalen Gemeinschaft weitgehend geächtet wird, ist jeder freundschaftliche Kontakt von großem Nutzen.

Seit die Vereinten Nationen 2017 die Sanktionen gegen den Staat verschärften, ist kaum noch Handel mit Nordkorea erlaubt. Aus China und Russland, die beide eine Landgrenze mit Nordkorea teilen, sind über die vergangenen Jahre dennoch regelmäßig Lieferungen eingetroffen – was aber durch eine pandemiebedingte Grenzschließung ab Anfang 2020 auch zum Ende kam. Derzeit schätzen die Vereinten Nationen, dass rund 40 Prozent der nordkoreanischen Bevölkerung unterernährt sind.

Indem Kim Jong-un nun seine Hand nach Donetsk und Luhansk ausstreckt, macht er sich auch in Moskau Freunde. Die UN-Sanktionen von 2017 hatte Russland mitgetragen. Moskau war auf Distanz zu Nordkorea gegangen, das zu Beginn des Kalten Kriegs noch mit dem russischen Vorgängerstaat Sowjetunion eng verbunden gewesen war. Jetzt aber, wo auch Russland mit stärkeren Sanktionen belegt ist, nähern sich die Staaten an. So begrüßt auch Moskau die Idee, dass sich nordkoreanische Arbeiter am Aufbau in Luhansk und Donetsk beteiligen.

Der Ukraine-Krieg, der allmählich auf einen langwierigen Abnutzungskrieg hinauszulaufen scheint, hat in Ostasien also schon jetzt einen Sieger, nämlich Nordkorea. In Pjöngjang verkündete Kim Jong-un kürzlich, dass er auch nicht mehr daran denke, sein Atomwaffenprogramm aufzugeben. Offenbar getragen durch die offenere Unterstützung, die der Staat nun aus Russland sowie China erhält, erließ Nordkorea Anfang des Monats ein Gesetz, durch das es sich selbst zur Atommacht erklärt und in dem es ankündigt, dass dieser Status »irreversibel« sei.

In Südkorea und den USA, wo man immer wieder die nukleare Abrüstung Nordkoreas als Bedingung verlangte, um die Beziehungen zu Pjöngjang zu normalisieren und Sanktionen fallenzulassen, dürfte man nun auf absehbare Zukunft weiterhin alleine beratschlagen, wenn es um Frieden auf der koreanischen Halbinsel geht. In Pjöngjang hat man jetzt wieder Freunde, zumindest eine Handvoll.

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