Späte Konsequenzen für evangelischen Pfarrer

EKD-Disziplinargericht verhängt Tätigkeitsverbot und entzieht Pensionär Versorgungsansprüche

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Missbrauchsskandale führten sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche zu einer Austrittswelle.
Die Missbrauchsskandale führten sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche zu einer Austrittswelle.

Es ist die höchstmögliche Disziplinarmaßnahme, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verhängen kann: Wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen in den 1980er Jahren entzog sie einem Pfarrer jetzt seine Versorgungsansprüche und verhängte ein Tätigkeitsverbot. Entsprechende Vorwürfe sah das Disziplinargericht der EKD als erwiesen an, wie es in einer Pressemitteilung vom vergangenen Freitag heißt.

Ans Licht gekommen waren die Taten des Mannes durch die Anzeige eines der Opfer. Der Pastor verliert mit dem Urteilsspruch auch alle Rechte aus der Ordination, der Zulassung zum Pfarramt. Gegen das Urteil kann er innerhalb von einem Monat ab Zustellung Rechtsmittel einlegen. Nach Angaben der EKD war er vor seiner Pensionierung zuletzt als Oberkirchenrat im Kirchenamt tätig. Angaben zur Person des Sanktionierten und zu seinem Einsatzort im fraglichen Zeitraum machte die EKD indes nicht und verwies auf dessen Persönlichkeitsrechte.

Das Kirchengericht erstattete gegen den ehemaligen Mitarbeiter im vergangenen Jahr bei Eröffnung des Disziplinarverfahrens auch eine Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen den Geistlichen. Zu einer Anklage kam es jedoch nicht. Die Behörde stellte das Verfahren ein, weil die Taten zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens bereits verjährt waren und deshalb nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können.

Innerhalb der evangelischen Kirche gab es nach bisherigen Erkenntnissen seit den 1950er Jahren 881 Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen. Wie mit dem Thema umgegangen wurde und künftig werden soll, dazu hat die EKD eine Studie in Auftrag gegeben. Sie soll 2023 fertiggestellt sein. In der Pressemitteilung zum aktuellen Fall heißt es, man stelle sich »dem Leid und dem Schmerz derer, denen im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie sexualisierte Gewalt angetan wurde«. Man setzte sich »für einen wirksamen Schutz vor sexualisierter Gewalt sowie für die Unterstützung Betroffener und die Aufarbeitung vergangener Fälle ein«.

Die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, hat den Protestanten vorgeworfen, bei der Aufarbeitung sogar noch der katholischen Kirche hinterherzuhinken. Diese hatte 2018 eine erste Studie zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Priester, Diakone und Ordensangehörige vorgelegt. Der Missbrauchsskandal hat zu zahlreichen Kirchenaustritten geführt.

Zuletzt war bekannt geworden, dass der 2017 verstorbene Leiter des katholischen Lateinamerika-Netzwerks Adveniat, Emil Stehle, zahlreiche Täter geschützt und ihre Übergriffe vertuscht hat. Einer Anfang August von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlichten Studie zufolge verhalf er etlichen Priestern zu einem neuen Wirkungskreis in Südamerika. In den 1960er Jahren tilgte er den Namen eines Beschuldigten aus dem Landkreis Helmstedt aus offiziellen Akten. Dabei handelte er laut Studie auf Anweisung des damaligen Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen (1907–1988), von dem 2015 bekannt wurde, dass er ebenfalls Minderjährige missbraucht hat. Stehle selbst hat sich in Ecuador an mindestens 16 Kindern vergangen.

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