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Steigende Energiepreise fördern Angst und Wut
Allein in Mecklenburg-Vorpommern kamen am Montagabend rund 10.500 Menschen zu Sozialprotesten
Acht Stunden Queen-Staatsbegräbnis am Montagabend auf ARD und ZDF, in Tagesschau und Tagesthemen gab es zusätzlich ausführliche Berichte. Was nicht in den großen Nachrichtensendungen Platz fand: die Proteste gegen die Preisexplosion bei Gas, Strom, Sprit und anderen Produktionsmitteln sowie Konsumgütern. Dabei fanden sie am Montagabend bundesweit zahlreich statt. Allein in Mecklenburg-Vorpommern gingen mindestens 10 500 Menschen auf die Straße. Vor einer Woche hatte die Zahl der Demonstranten im Nordosten noch bei gut 6000 gelegen, vor zwei Wochen erst bei 2200.
Die größten Proteste fanden am Montag in Rostock, Neubrandenburg, Parchim, Wismar und der Landeshauptstadt Schwerin statt. Die Teilnehmer, allein in Schwerin waren es rund 4500, spiegeln einen Querschnitt der Bevölkerung wider. Nirgendwo ließ sich bislang beobachten, dass bestimmte politische Lager das Geschehen prägten. Gefragt nach ihren Motiven, auf die Straße zu gehen, antworteten viele etwa gegenüber dem NDR, sie hätten angesichts ihrer bereits jetzt extrem angespannten wirtschaftlichen Lage Angst vor der künftigen Entwicklung.
In Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland mit dem niedrigsten Durchschnittseinkommen, dürfte die Lage für viele besonders prekär sein. Ein Großteil der Menschen arbeitet hier zum gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 10,45 Euro pro Stunde. Offensichtlich werde das bei politischen Entscheidungen nicht berücksichtigt, so der Eindruck vieler Menschen hier. Einige Demonstranten brachten ihre Wut darüber mit Trommeln und Trillerpfeifen zum Ausdruck.
Immer wieder war auch auf Plakaten die Forderung nach einem Rücktritt der gesamten Bundesregierung zu lesen. Der Zorn richtet sich mittlerweile aber auch gegen die von Manuela Schwesig (SPD) geführte rot-rote Landesregierung, von der sich viele im Stich gelassen fühlen, seit sie den Abbruch der Handelsbeziehungen zu Russland wegen dessen Überfall auf die Ukraine mitträgt. Vielfach war bei den Protesten die Forderung zu hören und auf Plakaten zu lesen, dass die Ostseepipeline Nordstream 2 in Betrieb genommen werden müsse. Dies schließen im Bund mittlerweile alle Parteien außer der rechten AfD aus. Alle bisherigen Montagsdemonstrationen im Nordosten verliefen friedlich, was auch die Polizei bestätigte.
Auch an anderen Wochentagen wird in dem Bundesland demonstriert. So hatte die Initiative »Unternehmeraufstand MV« vergangenen Donnerstag in Neubrandenburg zu einer Demonstration mit Autokorso aufgerufen. An den Aktionen beteiligten sich nach Polizeiangaben mehr als 2500 Handwerker, Selbständige und Unterstützer. Auch dabei wurde ein Ende der gegen Russland gerichteten Sanktionen gefordert. Auf Plakaten und Bannern an Fahrzeugen wurden zudem ein Ende der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und »Frieden mit Russland« verlangt. Und auch hier war zu hören, die Bundesregierung solle zurücktreten und Neuwahlen ansetzen.
Versammelt hatten sich die Demonstranten auf dem Marktplatz. In dessen Nachbarschaft hatte die Industrie- und Handeskammer zum »Wirtschaftsempfang« geladen. Unter den Gästen war auch Ministerpräsidentin Schwesig. Sie sprach auf der Kundgebung und wandte sich dabei klar gegen eine Öffnung von Nordstream 2. Russland habe einen »aggressiven Angriffskrieg« gegen die Ukraine begonnen und sei nicht als verlässlicher Handelspartner anzusehen, erklärte sie. Dafür erntete die Regierungschefin Buhrufe und Pfiffe. Sie versicherte, sie werde sich weiter für die Einführung eines Energiepreisdeckels stark machen. Zudem rief sie die Bürger auf, Energie zu sparen. Sie werde sich dafür einsetzen, dass es nicht zu einer Gasmangellage komme, so die SPD-Politikerin.
Die Landesregierung hat derweil zu Bürgerforen eingeladen, die bis Freitag in allen Kreisen und kreisfreien Städten stattfinden. Dort soll über bezahlbare Energie, Hilfsangebote des Staates und die Energiewende beraten werden. Schwesig wollte am Dienstagabend an einer solchen Veranstaltung in Wismar teilnehmen.
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