Der Bund soll es richten

Berlins Senat beschließt sein Entlastungspaket, hofft gerade beim Moratorium für Wohnungskündigungen aber auf die Ampel-Koalition

"Wir wollen tun, was notwendig ist und was wir tun können", sagt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach der Senatssitzung am Dienstag. Mit einem eigenen Entlastungsprogramm will die rot-grün-rote Koalition ihren Beitrag zur sozialen Absicherung angesichts steigender Inflation und Energiepreise leisten – ohne zugleich die Wirtschaft aus den Augen zu verlieren. Es müsse, so Giffey, unbedingt verhindert werden, dass die über 100 000 Unternehmen des Bundeslands in "schweres Fahrwasser" gerieten. "Wir wollen, dass Berlin einen zweiten Neustart schafft", erklärt sie mit Blick auf die Corona-Pandemie.

Dabei helfen soll das, was am Montag von den Spitzen der Regierungsparteien in einem Koalitionausschuss rund fünf Stunden lang diskutiert und schließlich beschlossen wurde: In Aussicht stehen etwa Liquiditätsdarlehen und Energiekostensofortzuschüsse für Unternehmen, ein Moratorium für Wohnungskündigungen bei landeseigenen Wohnungsunternehmen und die Förderung erneuerbarer Energien.

Insbesondere beim Moratorium soll es laut Giffey "zügig" laufen, bei anderen Maßnahmen könnte es länger dauern. "Es ist so, dass nicht alles gleichzeitig beschlossen werden kann", sagt die SPD-Politikerin. In vielerlei Hinsicht sei man auf das angewiesen, was im Bund entschieden werde. Von ihm fordert die Berliner Koalition ein Kündigungsmoratorium, das dann auch private Vermieter betreffe. "Wir wünschen uns, dass von Bundesebene an die Wurzel gegangen wird." Zudem fordert Giffey einen bundesweiten Energiepreisdeckel sowie die Aussetzung der Schuldenbremse.

Für die Pläne im eigenen Bundesland braucht es laut der Regierenden Bürgermeisterin hingegen zusätzliche Gelder. "Das wird aus den regulären Mitteln des Landeshaushalts nicht zu stemmen sein", teilt Giffey mit. Abhilfe schaffen soll ein Nachtragshaushalt, dessen Zeitplan in zwei Wochen festgelegt werden soll.

Bereits im Vorlauf der Senatssitzung hatte der Berliner Mieterverein die Absicht begrüßt, Mieter*innen bei landeseigenen Wohnungsunternehmen vor Kündigungen zu schützen. Wie auch Giffey forderte Geschäftsführer Sebastian Bartels am Montag eine Ausweitung des Moratoriums auf die Privaten. Zuständig hierfür ist, sofern keine Länderöffnungsklausel erlassen wird, der Bund.

"Solange die Bundesregierung das Bürgerliche Gesetzbuch beim Kündigungsschutz nicht ändert, sollte die private Wohnungswirtschaft sich dem Moratorium des Senats sofort anschließen", erklärte Bartels, der aber auch das Land Berlin nicht aus der Verantwortung entlassen wollte. "Es ist grotesk, dass große Teile der Wohnungswirtschaft mit dem Senat mehrere Monate am Runden Tisch des Mietenbündnisses gesessen haben, aber selbst beim Kündigungsschutz nichts herausgekommen ist!" Zudem lasse die Vereinbarung zu viel Spielraum für Kündigungen im Ausnahmefall.

Reaktionen in der Berliner Wirtschaft fielen wohlwollender aus. Jede Entlastung, erklärte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, sei derzeit willkommen. "Das Wichtigste ist, dass sie schnell in Kraft tritt und wirkt." Um die steigenden Preise aufzuhalten, müsse umgehend alles ans Netz, "was Strom produzieren kann". Dies beinhalte nicht nur verfügbare Atomkraftwerke, sondern auch Kohlekraftwerke der Sicherheitsreserve, die schnellstmöglich wieder in Betrieb genommen werden müssten. Neben dem zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Energieträger forderte Amsinck auch, steuerliche Abgaben auf Energie zu streichen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

- Anzeige -
- Anzeige -