Höhere Löhne für die Konjunktur

Arbeitgeber verzichten beim Verhandlungsauftakt mit der IG Metall auf ein Angebot für die Beschäftigten in Berlin und Brandenburg

Im kürzlich beschlossenen Entlastungspaket des Berliner Senats sind auch die Unternehmen nicht leer ausgegangen. Nun hat in der Hauptstadt eine neue Tarifrunde für die rund 100 000 Beschäftigten aus der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg begonnen. Die Industriegewerkschaft IG Metall fordert ebenfalls Unterstützung – in Form einer Erhöhung der Löhne von acht Prozent. Neben Entgelten betrifft die Forderung auch Ausbildungsvergütungen.

Nach dem ersten Verhandlungstag am Mittwoch ist klar, dass die Vorstellungen weit auseinanderliegen. In den Gesprächen mit der IG Metall legten die Arbeitgeber kein Angebot vor. Der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg nannte die Gewerkschaftsforderung "ein Ding der Unmöglichkeit". Zahlreiche Unternehmen stünden wegen steigender Energiekosten mit dem Rücken zur Wand.

Kaufkraft soll gestärkt werden

Rund 100 Menschen sollen laut IG Metall bereits morgens am Verhandlungsort ihrem Unmut Luft gemacht haben. Unter ihnen: Beschäftigte von Siemens und Mercedes. "Die Forderung ist ein Ergebnis langer Diskussionen, die wir als IG Metall bundesweit geführt haben", sagt Markus Sievers, Gewerkschaftssprecher dem "nd". In ihr seien nicht nur Inflation und steigende Energiepreise, sondern auch Umverteilungskomponenten berücksichtigt. "Wir hatten schon länger keine Erhöhungen in der Branche."

Trotz der angespannten Lage wehrt sich die IG Metall gegen die Darstellung, dass die geforderte Lohnerhöhung die Arbeitgeber der Branche in den Abgrund treiben würde. "Die Arbeitgeber überbieten sich geradezu darin, die wirtschaftliche Lage schwarzzumalen", erklärt Irene Schulz, Leiterin des Gewerkschaftsbezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen im Anschluss an die Verhandlungen. Natürlich würden die Gasknappheit und die hohen Energiepreise für Risiken sorgen: "Die Wirtschaft insgesamt aber ist stabil." Was es gerade jetzt brauche, sei eine Stärkung des Konsums durch ordentliche Tarifabschlüsse.

Wie die IG Metall argumentiert, würden höhere Löhne die Kaufkraft der Bevölkerung stärken und somit der Konjunktur zugutekommen. Viele Menschen würden derzeit ihren Konsum einschränken, um sich das Tanken, Heizen oder auch den Einkauf im Supermarkt noch leisten zu können. Dabei sei gerade der private Konsum die letzte Stütze der Konjunktur. Werden die Löhne nicht erhöht, befürchtet die Gewerkschaft eine nachfragegetriebene Rezession.

Auch Bundesregierung soll nachlegen

Verhandlungsführerin Schulz appelliert an die soziale Verantwortung der Berliner Metall- und Elektroindustrie: "Die Arbeitgeber können in diesen Zeiten mit extremen Preissteigerungen die Entlastung der Beschäftigten nicht allein dem Staat überlassen." Die Preissteigerungen hätten den Druck auf die Beschäftigten so stark erhöht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. "Die Kolleginnen und Kollegen brauchen jetzt eine klare Perspektive."

Trotzdem kann auch die Politik aus Sicht der Gewerkschaft nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Die Tarifpolitik alleine könne die Belastungen, die durch eine derart hohe Inflation entstünden, wie man sie zur Zeit erlebe, nicht ausgleichen. "Einiges ist bereits erreicht", hält Schulz fest. Und doch müsse am dritten Entlastungspaket der Bundesregierung nachgebessert werden. Die Gewerkschaft pocht auf die Einführung eines Gaspreisdeckels. Für die nächste Tarifrunde für Berlin und Brandenburg will die IG Metall an ihrer Forderung der Lohnerhöhung festhalten. Sie soll am 6. Oktober stattfinden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.