Weg zum Frieden

Martin Ling über Kolumbiens multilateralen Waffenstillstand

Es ist der bisher umfassendste Versuch überhaupt, Kolumbien nach Jahrzehnten eines bewaffneten internen Konflikts zu befrieden: ein multilateraler Waffenstillstand. Eben dies hat Kolumbiens erster linker Präsident der Geschichte, Gustavo Petro, noch vor seiner Rückkehr aus New York von der UN-Generalversammlung für die kommenden Tage angekündigt: »Was wir vorschlagen, ist eine Einstellung der Feindseligkeiten, Tod, Waffenstillstand. Da es sich um eine Vielzahl von Organisationen handelt, spricht man von einem multilateralen Waffenstillstand.«

Schon im Wahlkampf hatte Petro den Slogan von einer »Politik der Liebe« ausgegeben, die an Stelle der vorherrschenden »Politik des Hasses« treten sollte. Seit die Farc-Guerilla 1964 zu den Waffen griff und auch noch nach dem Friedensabkommen mit der Farc 2016 dauert der bewaffnete interne Konflikt in Kolumbien an. Allein zwischen 1985 und 2018 forderte er mindestens 450 000 Tote. Ende 2021 waren 6,8 Millionen Kolumbianer im eigenen Land auf der Flucht.

Nach Angaben der Denkfabrik Indepaz wollen sich mindestens 22 Gruppen an dem Prozess beteiligen, darunter Guerillas, wiederbewaffnete Gruppen der ehemaligen Farc und aus dem Drogenhandel stammende Banden. Petro geht ins Risiko und auch auf Gruppen zu, die vor Strafgerichten weit besser aufgehoben wären als in einem Friedensprozess. Doch der lange Konflikt zeigt, dass mit den Waffen der Armee und der Justiz allein keine Befriedung zu erreichen ist.

Der Aushandlungsprozess Strafmilderung für Befriedung und Niederlegung der Waffen wird eine Gratwanderung mit offenem Ausgang. Das Ziel des »totalen Friedens« statt wie bisher partieller und zeitweiser Waffenstillstandsabkommen mit der einen oder anderen bewaffneten Gruppe ist diesen Versuch wert. Auch in Kolumbien gilt: Lieber die Schmerzen des Friedens als die Agonie des Krieges.

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