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Nein, nein, das ist nicht der Feminismus
Katharin Lux zeigt an der Zeitschrift »Die Schwarze Botin«, dass Emanzipation in der Frauenbewegung über »Kritik und Konflikt« verlief
»Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken«, heißt es bei Marx sehr treffend. Denn einerseits stimmt es, dass Menschen nur zusammen, als ein kollektives Subjekt, die Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse überwinden können. Andererseits aber ist auch wahr, dass die Subjekte im Bann der »unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umstände« stehen. Eine widersprüchlich eingerichtete Gesellschaft prägt ihnen materielle und gedankliche Widersprüche auf.
Wenn die Linke also von einer starken und geeinten Massenbewegung träumte, so musste sie ihr revolutionäres Subjekt eigentlich künstlich vereinheitlichen. Oft bedeutete das, Konflikt und Kritik abzuwehren, schlimmstenfalls als Spaltung oder Schwächung des kollektiven Subjekts. Dieses Missverständnis zieht sich von der kommunistischen Internationale über die Organisierung der sozialistischen Studierenden in den 1960er Jahren bis in das heutige Lamentieren über eine gespaltene Linke. Immer ging es darum, Konflikte und Widersprüche zur Versöhnung oder Auflösung zu bringen. In dieser Tendenz zur Widerspruchsbereinigung bleibt dann unsichtbar, dass die Verhältnisse das gar nicht erlauben. Es ist Wunschdenken, das über das Bestehende doch nicht hinauskommt – und genau dafür kritisiert werden muss.
Für die radikale Konsequenz aus dieser Einsicht stand die Zeitschrift Die Schwarze Botin. Sie formulierte polemische und unversöhnliche Kritiken an der autonomen Frauenbewegung Westdeutschlands der 1970er und 1980er Jahre und stellte sich immer wieder quer zur Identitätssuche nach dem Subjekt Frau. In einer umfangreichen Studie hat Katharina Lux nun die Auseinandersetzungen und das »negative Kritikprogramm« der Schwarzen Botin rekonstruiert. Ihre Arbeit ist von kaum zu unterschätzendem Wert: Lux zeigt an diesen vergessenen Kämpfen nichts weniger als das Potenzial universeller Emanzipation.
Sozialer oder kultureller Feminismus?
Die Schwarze Botin wurde zwischen 1976 und 1987 von Brigitte Classen und Gabriele Goettle (später dann Branka Wehowski) herausgegeben. Bereits vor zwei Jahren war im Göttinger Wallstein Verlag eine Anthologie jener Texte erschienen. Die Polemiken und Satiren der Schwarzen Botin standen damals gewissermaßen zwischen allen Stühlen. Genau deshalb lassen sich an ihr die politischen Kampffelder der Frauenbewegung nachvollziehen. Und diese waren keinesfalls nur eine abgespaltene Nebenerzählung der Linken. Lux stellt unmissverständlich klar, dass deren Anspruch Gesellschaftstheorie und -kritik war. Wie es eine der Herausgerberinnen, Gabriele Goettle, in der Schwarzen Botin schrieb, ging es um nicht weniger als die »Beseitigung sämtlicher patriarchaler Herrschaftsstrukturen und die Vernichtung kapitalistischer Produktionsformen«. Die Schwarze Botin folgte mit aller Konsequenz dem Anspruch, »die Frauenbewegung sei als einzige Bewegung im Augenblick fähig, die Kritik der Gesellschaft zu leisten«. Umso wichtiger war deren Selbstkritik, für die die Zeitschrift einstand.
Denn die autonome Frauenbewegung sei erst aus der Unfähigkeit der Linken zu solcher Reflexion hervorgegangen. Sie habe sich in Abgrenzung zum Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) 1967/68 formiert, nachdem die feministische Kritik darin keinerlei Wirksamkeit fand. Das erklärte Ziel einer befreiten Gesellschaft habe im Widerspruch zur »Abstraktion von der eigenen Subjektivität« gestanden. 1968 fragte Helke Sander auf der Delegiertenkonferenz des SDS: »Warum sagt ihr nicht endlich, daß ihr kaputt seid vom letzten Jahr, daß ihr nicht wißt, wie ihr den Streß länger ertragen könnt«? Aber die Konsequenzen seien ausgeblieben und so zerbrach der SDS 1969 an den internen Widersprüchen. Die Organisierung der Frauenbewegung im Sozialistischen Frauenbund West-Berlins (SFB) sowie der Gruppe Brot und Rosen habe eine Zeit lang versucht, die nötige Selbstveränderung für eine Gesellschaftsveränderung durch Theoriearbeit oder den Bezug auf die eigenen Erfahrungen umzusetzen. Deren Scheitern habe dann zur Entstehung der autonomen Frauenbewegung geführt.
Im Zuge dessen haben sich Mitte der 1970er Jahre mehrere Zeitschriftenprojekte gegründet, mit denen die Konstitutionsprobleme einer feministischen Bewegung verhandelt wurden: Geht es um einen sozialen oder kulturellen Feminismus? Um die Überwindung der Geschlechterunterschiede oder die Emanzipation weiblicher Erfahrungswelten? Ist Theorie oder Erfahrung der Ausgangspunkt des Kampfes? Inwiefern kann es einen Anschluss oder muss es einen Bruch mit dem Bestehenden geben? Aus diesen Konfliktlinien seien »Sprachrohr, Mittlerin oder Avantgarde«-Positionen hervorgegangen: Alice Schwarzers Emma, die nach Repräsentation von Frauen im medialen Mainstream strebte; die Zeitschrift Courage, die einen kollektiven Lern- und Bildungsprozess des Subjekts Frau anvisierte; und Die Schwarze Botin, die mit beißender Polemik und Satire das Programm verfolgte, »parteilich für die Sache der Frauenbewegung und zugleich deren Selbstkritik zu sein«.
Aufruf zum Boykott
Damit ist die Schwarze Botin aber keinesfalls der sympathische Underdog, auf dessen Seite man sich stellen und auf der Kritik ausruhen könne. Zur Identifikation taugt die unversöhnliche Haltung der Zeitschrift nicht, denn ihre Irritationen der feministischen Selbstgewissheit schlagen auch in Befremden um. Ein Flirten mit Nihilismus, Elitismus, das Abgleiten der Ideologiekritik in poststrukturalistische Überbetonung von Bedeutungskonstruktionen, die entschiedene Haltung, nicht mit »sonstigen Linken« zusammenzuarbeiten – es gibt viele Momente, die an diesem permanenten Kritikanspruch selbst kritikwürdig wären. Aber wie sollte es auch anders sein?
Der Kritik geht es nicht um Widerspruchsfreiheit, sondern darum, die Probleme von Theorie und Praxis zu benennen. Lux zeigt, dass dieses Vorgehen eher zur Abwehr der Kritik führte. Der Kommunistische Bund habe etwa zum Boykott der Schwarzen Botin aufgerufen und sie als »faschistoiden Spuk«, »rechte Strömung des Feminismus«, pervers und zersetzerisch denunziert. Dabei hat die Schwarze Botin vor allem Tendenzen der Naturalisierung oder Mystifizierung kritisiert. Wenn die Bewegung etwa »die Frauen« adressierte, setzte sie das Subjekt Frau damit schon voraus. Mit dieser Kritik seien Aspekte der »Gender-Debatte« um »›Dekonstruktion‹/›Poststrukturalismus‹/›Postmoderne‹« der 1990er Jahre bereits vorweggenommen. Und zwar mit dem Vorteil, dass sie hier noch am konkreten Problem der Bewegung nachvollziehbar sind.
Die negative Kritik der Schwarzen Botin habe immer wieder die Grenzen der feministischen Praxis aufgezeigt, mit dem Ziel, sie zu übersteigen. Weil Frauen in der linken und bürgerlichen Wissensproduktion nicht vorkamen, habe sich ein Teil der feministischen Bewegung auf Erfahrung als Quelle der Identität berufen. Die Schwarze Botin konfrontierte diese Erfahrung mit ihrer Verwurzelung in einer postnazistischen und androzentrischen Gesellschaft. Den Anstrengungen zur Integration in das Bestehende habe die Zeitschrift die individuelle Emanzipation als Bedingung weiblicher Subjektivität entgegengesetzt. Wenn sich um ein »weibliches Schreiben« bemüht wurde, pochte sie auf die Unversöhnlichkeit der Kunst und deren Möglichkeiten, »die Feindlichkeit der Gesellschaft den Individuen gegenüber hervortreten zu lassen«.
Lux entfaltet daran ein »Konfliktgedächtnis« der zentralen politischen und theoretischen Auseinandersetzungen: Fragen zum Nachleben des Faschismus stehen neben jenen zur Autonomie der Kunst, der Geschichte und der »Frage, wie das Weibliche zu denken ist«. Es geht um Subjekttheorien, Psychoanalyse und schließlich auch die Entwicklung hin zu einer poststrukturalistischen Sozialtheorie, in der sich ein negativer Kritikimpuls scheinbar radikalisierte. Nichts davon ließe sich abschließend klären. Aber genau darum geht es auch nicht.
Die Lektion der Selbstkritik
Die Autorin möchte »die Geschichte feministischer Theoriebildung in ihrer Widersprüchlichkeit, ihren Spannungen und ihren Konflikten erinnern«. Aber ihre Rekonstruktion geht darüber hinaus und leistet etwas Großartiges. Sie stellt nicht einfach nur Positionen gegen Positionen und subsummiert die Widersprüche feministischer Theorie und Praxis zu einer Geschichte. An den Konfliktlinien, die jenes Kritikprogramm der Schwarzen Botin aufzeigt, werden die gesellschaftlichen Problemlagen sichtbar, mit denen es eine linke Bewegung zu tun bekommt. Und paradoxerweise zeigt genau diese Negativität einen konkreten Ausweg aus dem Dilemma zwischen partikularer Erfahrung und abstrakter Theorie: An der Selbstkritik des feministischen Subjekts wird die Objektivität gesellschaftlicher Widersprüche erkennbar und diese damit überhaupt einer Veränderung zugänglich gemacht.
Die kritische Reflexion unterscheidet das Wunschdenken von der Analyse. Das ist exakt der Fortschritt der feministischen Theorie gegenüber marxistischer und traditioneller Gesellschaftstheorie, der vergessen und verschüttet liegen bleiben muss, wo für eine Linke nur die Einheit eines historischen Subjekts zählt. Es ist ein Fortschritt, der über Kritik und Konflikt funktioniert. Katharina Lux hat ihn zugänglich gemacht.
Katharina Lux: Kritik und Konflikt. Die Zeitschrift Die Schwarze Botin in der autonomen Frauenbewegung. Mandelbaum Verlag, 474 S., 28 €.
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