Bunter Punkt im braunen Fleck

Im mittelsächsischen Döbeln feierte die queere Szene zum ersten Mal einen CSD

  • Jessica Ramczik
  • Lesedauer: 4 Min.

Döbeln ist eine Kleinstadt in Mittelsachsen. Lange Straßenzüge, zweigeschossige Backsteingebäude, von denen einige verfallen sind, eine hübsche und dennoch leere Innenstadt. Hier leben rund 24 000 Menschen. 14 der 26 Sitze im Stadtrat werden von CDU und AfD besetzt. Döbeln ist das, was Beobachter nicht nur aufgrund des Zuzuges völkischer Siedler*innen in Mittelsachsen »braunes Sachsen« nennen würden, gäbe es hier nicht zivilen Widerstand und Organisationen wie das soziokulturelle Zentrum Treibhaus. Am vergangenen Samstag organisierte der Verein zusammen mit dem queeren Leipziger Verein Rosa Linde den ersten CSD in Döbeln. 450 Menschen nahmen an der Demonstration teil.

Seit sechs Jahren kooperiert Rosa Linde mit Treibhaus, organisiert immer wieder queere Veranstaltungen, betreibt Vernetzung. »Daraus entstand der Wunsch, queerer Menschen aus der Region hier einen CSD zu organisieren und ihre Forderungen auf die Straße zu tragen«, sagt Vera Ohlendorf, Mitarbeiterin bei Rosa Linde und Sprecherin des CSD in Döbeln. »Generell fehlt es an queeren Strukturen in den Landkreisen. Es fehlt an Beratungsangeboten, queere Menschen fühlen sich hier einsam. Hinzu kommt die offene Diskriminierung, die Menschen hier erfahren«, so Ohlendorf.

So geht es beim Döbelner CSD um mehr als die bloße Sichtbarkeit queerer Menschen. Es geht darum, in Orten wie Döbeln sicher und angstfrei leben zu können – auch abseits vom CSD. »Übergriffe geschehen oft erst dann, wenn solche Veranstaltungen wie der CSD vorbei sind. Dann, wenn die Menschen wieder zurück nach Dresden oder Leipzig gefahren sind. Gefahr gibt es hier nicht bloß beim CSD, sondern ganzjährig für queere Menschen und das auch Wochen und Monate nach dem CSD«, erklärt Ohlendorf. Deswegen fordern die Organisator*innen des CSD unter anderem mehr Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu queeren Themen, die Schaffung von queeren Beratungsangeboten und Safer Spaces sowie die Schaffung von Mobilitätsangeboten.

Und Döbeln selbst? Der Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) hat sich selbst nicht zum CSD positioniert. Die Anfrage, ob das Rathaus Strom für die Veranstaltung zur Verfügung stellen könnte, wurde verneint. Eine Pride-Flagge am Rathaus als minimale Geste? Fehlanzeige.

Dass der CSD nicht unwidersprochen von rechts blieb, überraschte hier niemanden. Rechte mobilisierten mit Plakaten, welche die Aufschrift »Aus Anne wird Frank – Das ist doch krank« trugen. »Dies ist nicht nur homo- und transfeindlich, sondern letztlich auch antisemitisch und zeugt von schierer Menschenverachtung«, kommentiert Ohlensdorf. Die Gegendemonstranten aus den rechten Organisationen Junge Nationalisten (JN), NPD, »Freie Sachsen« und der Kameradschaft Niederlausitz waren an diesem Tag jedoch in der Unterzahl. Gerade einmal 40 Menschen konnten sie gegen den Döbelner CSD mobilisieren.

Noch bevor sich der rechte Aufmarsch in Bewegung setzte, beschlagnahmte die Polizei zwei Transparente. Nachdem sich die JN am Döbelner Hauptbahnhof sammelte, zog diese durch die Döbelner Innenstadt. Auf ihrem Weg hinterließ sie queer- und homofeinliche Sticker und Graffiti. Auf dem Niedermarkt hielten die Rechten schließlich ihre Zwischenkundgebung ab.

Keine 100 Meter weiter fand die Auftaktkundgebung des CSD statt. Ein Novum, wie Vera Ohlendorf fand. Denn die Stadt und die zuständigen Ordnungsbehörden ließen es zu, dass sich eine rechte Gegendemo in Sicht- und Hörweite zu einem CSD protestieren durften. Das hätten die zuständigen Behörden verhindern können. Auch schienen sie, das Gefahrenpotenzial der Rechten unterschätzt zu haben. Henning Hohmann, SPD-Abgeordneter des sächsischen Landtages, bemängelte die geringe Polizeipräsenz. Schließlich stockte die Polizei ihr Aufgebot vor Ort zumindest auf eine Hundertschaft auf.

Dass Polizeipräsenz an diesem Tag dringend notwendig war, zeigt sich bereits im Vorfeld des CSD: Wie die Polizei mitteilte, kam es zu einem queerfeindlichen Angriff auf Teilnehmer*innen der Parade. Diese wurden demnach »von einer unbekannten Frau und einem unbekannten Mann beleidigt und mit kleinen Steinen beworfen«, heißt es. Dennoch wird dies nicht der letzte CSD in Döbeln gewesen sein. Dies zumindest ließen die Veranstalter*innen verlauten.

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